Der Sammelband befasst sich mit der Entwertung von Bronzemünzen und der Inwertsetzung von zugeschnittenen Bronzefragmenten in der Spätantike. Fragen des Münzumlaufs, des Münzersatzes, der Versorgung mit Münzen, des Recycelns von Münzen und Buntmetallen wurden adressiert. Im Mittelpunkt steht die Analyse des jeweils zugeschriebenen Wertes der Artefakte.
Buntmetallfragmente aus archäologischen Befunden des römischen Nordwestens und des benachbarten Barbaricum werden bis in die Spätantike zumeist als Schrott und Recyclingmaterial interpretiert. In dieser Zeit jedoch vollzieht sich im Münzwesen ein massiver Wandel. Bronzemünzen werden immer stärker entwertet, um dann in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts aus dem Monetarsystem zu verschwinden. Dieser Wandel findet nun einen ebenso facettenreichen wie rätselhaften Niederschlag im archäologischen Befund. Gemeinsam betrachtet, eröffnen die archäologisch fassbaren Praktiken um Münzen und «Schrott» eine Vielzahl an Fragen zu möglichen Wertbedeutungen und deren Wandel:
Gelegentlich kann der Versuch beobachtet werden, Bronzemünzen einzuschmelzen – sie dem Recycling zuzuführen. Eine Auf- oder eine Abwertung? Auf gewissen Ausgrabungen lässt sich wiederum nahezu ein Teppich aus verstreuten Fundmünzen im Boden kartieren. Verluste oder entsorgter Abfall? Demgegenüber stehen die jüngsten, die theodosianischen Bronzemünzhorte: Wertverstecke oder unbrauchbar gewordenes Altmetall? Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die für das bekannte (Hack-)Silber weiträumig beobachtete Praxis des Fragmentierens nach Gewichtseinheiten im 5. Jahrhundert auch für Bronze eine Rolle spielen mag – und wenn ja: Wofür und in welcher regionalen, zeitlichen und mengenmäßigen Ausdehnung? Wurde Hackbronze gelegentlich – oder gar regelhaft – als paramonetärer Wertträger im Sinn von «Kleinstbarren» verwendet?
Der Band vereint die Beiträge einer internationalen Tagung, die von 26.-28. Oktober 2023 in Bonn stattfand. Auf der Tagung wurde diskutiert, wie und ob sich von der Spätantike zum beginnenden Frühmittelalter eine solche Veränderung im Umgang mit Münzen und Buntmetallartefakten rekonstruieren lässt. Dadurch folgt letztendlich nicht nur eine Annäherung an das tatsächliche Ausmaß der Monetarisierung, sondern auch an bislang kaum erforschte materielle – und immaterielle – Wert(-Bedeutungen) im Umgang mit dem Material selbst, aber auch den daraus hergestellten Artefakten.
Die Fachtagung bot Raum für ein internationales Forum an der Schnittstelle von Provinzialrömischer und frühgeschichtlicher Archäologie sowie Numismatik. Zur Sprache kamen dabei gleichsam die Münzen aus Buntmetall im archäologischen Befund, ihre Laufzeit und Arten von Wiederverwendung, Phänomene um Fälschungen und lokale Nachprägungen, wie auch die Praktiken im Umgang mit Buntmetallartefakten: Herkunft und Produktion, Transport und Handel, aber besonders auch Fragmentierung und Wiederverwendung sowie Deponierung und Verlust. Überregionale Trends kamen ebenso wie kleinräumige Besonderheiten zur Sprache.
https://daw.philhist.unibas.ch/de/personen/anna-flueckiger/https://www.iak.uni-bonn.de/de/institut/abteilungen/vor-und-fruehgeschichtliche-archaeologie/projekte-1/limes-legion
Anna Flückiger, Jahrgang 1987, hat in München und Bonn studiert und ist derzeit Oberassistentin für Vor- und frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Basel. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Archäologie der Spätantike und des Frühmittelalters.
Jan Bemmann hat seit 2004 die Professur für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Bonn inne. Er ist Sprecher des Langzeitprojektes „Limes und Legion“ im Förderprogramm der Akademienunion.