Am Rand der Stadt Bruchsal wurde 1986 durch Luftbildbefliegung ein Doppelgrabenwerk der Michelsberger Kultur (etwa 4300–3600 v. Chr.) entdeckt. In den Jahren 1987–1993 konnten die noch auf etwa 550 m Länge erhaltenen Gräben annähernd vollständig archäologisch untersucht werden. Die sorgfältig dokumentierte Ausgrabung machte es möglich, die Baugeschichte der Grabenanlage detailliert nachzuvollziehen. Die Analyse der Befunde offenbarte, dass das Erdwerk zu keiner Zeit in der heute erhaltenen Gestalt existierte, sondern dass diese das Ergebnis vielfältiger anthropogener und natürlicher Umformungen über einen Zeitraum von sechs Jahrhunderten hinweg ist.
Im Jahr 1986 wurde durch Luftbildbefliegung am nordöstlichen Rand des badischen Städtchens Bruchsal ein Doppelgrabenwerk der Michelsberger Kultur (etwa 4300–3600 v. Chr.) entdeckt. Damit wusste man nun von vier dieser jungneolithischen Graben-Wall-Anlagen im Stadtgebiet, darunter das bereits seit dem Ende des 19. Jahrhundert bekannte, eponyme Erdwerk auf dem Michaelsberg in Bruchsal-Untergrombach. In den darauffolgenden Jahren (1987–1993) konnten die noch auf etwa 550 m Länge erhaltenen doppelten Gräben im Bruchsaler Gewann „Aue“ annähernd vollständig archäologisch untersucht werden. Überraschend war die Auffindung von sechs Gruben am Rande und unter der Sohle des äußeren Grabens, in die die Körper von acht Kindern und sieben älteren Erwachsenen teils geordnet abgelegt, teils scheinbar achtlos hineingeworfen worden waren. Derartige Gräber sind rar in der Michelsberger Kultur, findet man doch oft nur einzelne menschliche Knochen oder Schädel ohne weiteren Zusammenhang.
In diesem Band werden die Grabenbefunde, 31 Siedlungsgruben und die sechs Grabgruben ausgewertet. Die detaillierte Ausgrabung und Dokumentation machte es möglich, die Baugeschichte der Doppelgräben mit ihren zahlreichen Toren und eines weiteren, erst am Ende der Ausgrabungen entdeckten Annexgrabens nachzuvollziehen. Die Analysen gaben Einblicke in die Konstruktionsabsichten der jungneolithischen Grabenerbauer, offenbarten Umbauten, die Entfernung von Durchgängen, die mehrfache erneute Verwendung und eine Erweiterung der Grabenanlage, zudem erbrachten sie Erkenntnisse über Wiederverfüllung, Abnutzung und Verfall der Gräben. Die bereits publizierten Keramik- und Tierknocheninventare aus den unterschiedlichen Befundlagen konnten zur relativen und absoluten Datierung mehrerer Nutzungsphasen herangezogen werden. Die Anlage war demnach innerhalb von etwa 600 Jahren (ca. 4250–3650 v. Chr.) in Gebrauch, mit zahlreichen temporären Unterbrechungen. Es wurde offensichtlich, dass das Erdwerk zu keiner Zeit in der heute erhaltenen Gestalt existierte, sondern das Ergebnis vielfältiger anthropogener und natürlicher, über sechs Jahrhunderte hinweg akkumulierter Umformungen ist.
Die nach wie vor andauernde Diskussion um die Funktion der Erdwerke kann auch nach der Interpretation aller Befunde des Erdwerks von Bruchsal „Aue“ nicht eindeutig in eine Richtung gelenkt werden. Hinweise auf eine profane Siedlungsnutzung mit Defensivcharakter sind ebenso vorhanden wie auf kultisch-rituelle Handlungen. Zudem deuten zahlreiche nicht lokale Fundstücke auf weit gespannte Tausch-und Kommunikationsverbindungen. Möglicherweise wurden die vier Michelsberger Anlagen in Bruchsal reihum wiederholt genutzt, und nach jeweils einigen Jahrzehnten Nutzungszeit zogen die jungneolithischen Bewohner aus unbekannten Gründen weiter zum nächsten Platz.
Birgit Regner-Kamlah M. A., 1991–2006 Studium der Vor- und Frühgeschichte, Anthropologie, Kulturanthropologie an der Georg-August-Universität Göttingen und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Teilzeitstudium), 2006 Abschluss Magistra Artium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zum Thema „Das Michelsberger Erdwerk von Bruchsal ‚Aue‘“, 2010–2013 Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Siedlungsstruktur der Michelsberger Kultur im Kraichgau“ beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Dienstsitz Karlsruhe, seit 2013 dort tätig im Fachbereich Inventarisation Archäologie, Vor-und Frühgeschichte.
Die „Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg “ erscheinen ab 2016 als neue, hochwertige monographische Reihe des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Die neue Reihe vereint die drei etablierten archäologischen Reihen des Landesamts (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte, Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters sowie die Materialhefte zur Archäologie), die sich inzwischen inhaltlich und in ihrem Umfang kaum mehr voneinander unterscheiden, in einem neuen, modernen Design.
In der Reihe erscheinen in erster Linie Monographien, daneben aber auch Sammelwerke wie z. B. Tagungsbände. Die publizierten Forschungsergebnisse resultieren vor allem aus archäologischen Ausgrabungen der Landesdenkmalpflege, die häufig im Rahmen von akademischen Abschlussarbeiten aufgearbeitet wurden. Thematisch wird die Archäologie in ihrer gesamten zeitlichen Tiefe abgedeckt, von der Vor- und Frühgeschichte über die Provinzialrömische Geschichte und das frühe Mittelalter bis zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Die neue Reihe ist das wissenschaftliche Aushängeschild der archäologischen Denkmalpflege in Baden-Württemberg.