Die Magdalénienstation Petersfels (Lkr. Konstanz) zählt mit ihrem umfangreichen lithischen und organischen Inventar zu den bedeutendsten altsteinzeitlichen Fundstellen Mitteleuropas. Die vorliegende Studie behandelt die spätjungpaläolithische Geweihindustrie vom Petersfels unter den besonderen Schwerpunkten Archäologie und Taphonomie. Im Zuge von Untersuchungen an rezenten Rengeweihen im westgrönländischen Inland kann der Autor Sebastian J. Pfeifer eine Vielzahl von natürlichen Veränderungen beschreiben und klassifizieren. Anhand dieser Beobachtungen gelingt es, Auswirkungen taphonomischer Prozesse und anthropogene Modifikationen am paläolithischen Fundmaterial zu identifizieren und voneinander zu unterscheiden. Es kann gezeigt werden, dass sowohl Abwurfstangen als auch schädelechte Stücke am Petersfels eingebracht, gelagert und verarbeitet wurden. Eine stark rationalisierte Produktion kontrastiert dabei mit großzügigem Verbrauch des Materials und der Beobachtung, dass beschädigte Werkzeuge nahezu nie repariert wurden.
Rentiergeweih gehört zu den wichtigsten Werkstoffen von Wildbeuterkulturen, die an kaltes Klima angepasst sind. Die vorliegende Doktorarbeit von Sebastian J. Pfeifer behandelt die Verarbeitung von Geweih an der bekannten magdalénienzeitlichen Höhlenstation Petersfels im Hegau unter den Schwerpunkten Taphonomie, Typologie und Technologie.
Anhand umfangreicher Untersuchungen zur Taphonomie rezenter Rengeweihe in der westgrönländischen Tundra wurde erstmalig ein Modell entwickelt, das die natürlichen Veränderungen dieses Materials in einer kalten Umgebung detailliert beschreibt. Ausgehend davon können Deutungsvorschläge für bisher nicht interpretierbare Modifikationen an Geweihen aus archäologischem Kontext geliefert werden.
Aus typologischer Perspektive wird das sehr umfangreiche Inventar gegliedert und die räumliche und zeitliche Verbreitung der einzelnen Gerätetypen für das Vergleichsgebiet Süddeutschland, Ostfrankreich und Nordschweiz diskutiert. Bestimmte Geweihgeräte und Verzierungsmotive sind singulär.
Zur Beschreibung der Technologie wird das Konzept der chaîne opératoire angewandt: Sehr detailliert kann nachvollzogen werden, wie die magdalénienzeitlichen Bewohner des Petersfels den Werkstoff nutzten, wie sie ihn einbrachten, verarbeiteten, verwendeten und verwarfen. Einige spezielle Zerlegungstechniken von Geweih werden erstmals angesprochen und beschrieben.
Aufgrund seines Fundreichtums und seiner exzellenten Erhaltungsbedingungen ist der Petersfels eine Schlüsselfundstelle für das Verständnis der mitteleuropäischen Magdalénienkultur. Diese Studie leistet einen entscheidenden Beitrag zur Interpretation der Station und liefert darüber hinaus wichtige methodische Impulse für die wissenschaftliche Bearbeitung organischer Fundinventare generell.
Sebastian Pfeifer wurde 1982 in Jena geboren. Nach dem Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie und Mittelalterlichen Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Zürich promovierte er von 2009–2013 im Fach Ur- und Frühgeschichte über die Geweihverarbeitung der magdalénienzeitlichen Höhlenfundstelle Petersfels an der Universität Jena. 2014 war er mit einem Stipendium des DAAD am Arctic Center (SILA) des Dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen tätig und erforschte dort die Pfeil- und Bogentechnologie der Grönländischen Thulekultur. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit als Leiter von Wanderstudienreisen und Trekkingtouren im Jahr 2015 leitet er seit 2016 das DFG-Projekt „Werkstoff – Waffe – Beute. Die organische Projektiltechnologie des Magdalénien in Mitteleuropa“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sebastian Pfeifers Forschungsschwerpunkt liegt auf traditionellen Technologien organischer Werkstoffe. Hierzu arbeitet er neben der Archäologie auch in den Disziplinen der Materialwissenschaften und der Ethnografie.
Die „Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg “ erscheinen ab 2016 als neue, hochwertige monographische Reihe des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Die neue Reihe vereint die drei etablierten archäologischen Reihen des Landesamts (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte, Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters sowie die Materialhefte zur Archäologie), die sich inzwischen inhaltlich und in ihrem Umfang kaum mehr voneinander unterscheiden, in einem neuen, modernen Design.
In der Reihe erscheinen in erster Linie Monographien, daneben aber auch Sammelwerke wie z. B. Tagungsbände. Die publizierten Forschungsergebnisse resultieren vor allem aus archäologischen Ausgrabungen der Landesdenkmalpflege, die häufig im Rahmen von akademischen Abschlussarbeiten aufgearbeitet wurden. Thematisch wird die Archäologie in ihrer gesamten zeitlichen Tiefe abgedeckt, von der Vor- und Frühgeschichte über die Provinzialrömische Geschichte und das frühe Mittelalter bis zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Die neue Reihe ist das wissenschaftliche Aushängeschild der archäologischen Denkmalpflege in Baden-Württemberg.