Die Kirche Johannes des Theologen in Ephesos gehört zu den bedeutendsten Sakralbauten der Spätantike. Kaiser Justinian I. ließ sie um die Mitte des 6. Jahrhunderts als mächtige Kreuzkuppelbasilika nach dem Vorbild der Apostelkirche von Konstantinopel errichten. Die vorliegende Baumonographie untersucht die Architektur der Kirche und ihrer Nebengebäude, scheidet Entstehungsphasen und rekonstruiert ältere Planungen. So entsteht das Gesamtbild eines Pilgerzentrums der justinianischen Epoche. Viele Zeichnungen und Rekonstruktionsvorschläge zur Gestalt der Kirche ergänzen die Dokumentation des Bestandes.
Das Heiligtum des Theologen Johannes war eines der bedeutendsten Pilgerzentren des östlichen Mittelmeerraumes. Es lag abseits des hellenistisch-römischen Ephesos auf einem Hügel in der Nähe des Artemisions. Seit dem 6./7. Jahrhundert n. Chr., als das Gebiet der antiken Stadt durch natürliche Veränderungen der Topographie zunehmend unbewohnbar wurde, entstand aus der Siedlung um das Heiligtum das stark verkleinerte mittelalterliche Ephesos. Eine letzte Blütezeit erlebte diese Stadt im 14. Jahrhundert unter der Herrschaft der Seldschuken. Bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wußte man um den genauen Ort des Heiligtums.
Nach der Publikation fand die Kirche in den späteren 50er Jahren noch Interesse als eines der Baudenkmäler, an denen eine Teilrekonstruktion versucht wurde. Daneben wurde der Bau in allgemeinen Handbüchern sowie in Darstellungen und Analysen spätantiker Architektur berücksichtigt. Vor allem F. W. Deichmann verdankt man im Rahmen verschiedener Spezialuntersuchungen Arbeiten über die Mauertechnik, die Bauplastik und zuletzt über die Werkmarken der Kirche.
Umfangreiche Grabungen und Restaurierungen der letzten Jahrzehnte haben den Ruinenbestand bzw. -befund im Bereich des Heiligtums wesentlich verändert. Es schien deshalb an der Zeit, bisherige Forschungen zusammenzufassen, erneut zu prüfen und, wo nötig, zu korrigieren und zu ergänzen. Daneben sollten Baugruppen der unmittelbaren Umgebung, deren Publikationen von unterschiedlichem Umfang und Genauigkeit sind, mit berücksichtigt werden.
Nach einer zusammenfassenden Würdigung der verschiedenen Arbeiten zu Detailfragen des Gesamtkomplexes ist schließlich eine neuen Gesamtrekonstruktion des justinianischen Heiligtums, insbesondere aber des Kirchenbaus angestrebt.
Andreas Thiel
Studium der Kunstgeschichte, Klassischen und Christlichen Archäologie sowie der Geschichte in Frankfurt, Heidelberg und Mainz. 1997 bis 2004 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Kunstgeschichte der Universität Mainz. Daneben freie Tätigkeit in Museen u.a. mit Ausstellungen zu Karl dem Großen und Goethe.
Forschungsschwerpunkte: spätantike Architektur, byzantinische Mosaiken und Kunsthandwerk.
Diese Schriftenreihe widmet sich speziell den Forschungen zur Christlichen Archäologie und Kunstgeschichte in spätantiker und frühchristlicher Zeit. Sie umfasst die gesamte Epoche der Spätantike bis zum frühen Mittelalter, im Bereich des byzantinischen Reiches auch darüber hinaus.
Die Reihe ist überkonfessionell und ohne Bindung an bestehende Institutionen, arbeitet jedoch mit der „Arbeitsgemeinschaft Christliche Archäologie zur Erforschung spätantiker, frühmittelalterlicher und byzantinischer Kultur“ zusammen. Sie konzentriert sich vor allem auf die Kunstdenkmäler und versteht sich daher nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu schon bestehenden Reihen, die in der Regel nicht nur die materielle Hinterlassenschaft der alten Kirche, sondern stets auch literarische, theologische und philologische Themen behandeln.
Einer klareren Zuordnung und einer größeren Bandbreite der verschiedenen Disziplinen wegen wurden zwei Unterreihen eingerichtet:
Die Reihe A „Grundlagen und Monumente“ setzt sich schwerpunktmäßig mit einzelnen Denkmälern bzw. Denkmalgruppen im Sinne einer korpusartigen Erfassung der Denkmäler auseinander.
In der Reihe B „Studien und Perspektiven“ werden einerseits Vorträge der Tagungen der „Arbeitsgemeinschaft Christliche Archäologie“ publiziert, andererseits bietet sie ein Forum für Untersuchungen zu den verschiedensten Fragen aus dem Gebiet der spätantiken/byzantinischen Archäologie und Kunstgeschichte.
„Il lavoro di Andreas Thiel fornisce un accurato resoconte delle componenti architettoniche e delle fasi edilizie del santuario, senza tuttavia tirare le fila di una rilettura complessiva del monumento. (...)
Rimane da deisderare che altri monumenti dell’architettura tardoantica della Turchia ricevano una simile attenzione attraverso opere monografiche.“
Von Ilenia Gradante
In: Rivista di archaeologia Cristiana. 84 (2008). S. 555-557.
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„Le grand mérite de l’A. est d’avoir réuni toute la documentation disponible sur la basilique de l’apôtre S. Jean et sur son site, non seulement les acquis de l’archéologie, mais aussi les témoignages littéraires et historiques, en signalant les questions restées ouvertes, comme celle posée par la confusion des personnages portant le nom de Jean. À partir de cette vaste collecte, il a pu reconstituer l’histoire du monument, dans les différentes phases de son développement.“
In: Revue d’histoire ecclésiastique. Vol. 103 (2008). Nr. 2. S. 704.
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„Das Buch von Andreas Thiel zur Johanneskirche enthält eine handwerklich saubere, rein technische Beschreibung der bekannten Bauteile und -phasen. Das Monument und die Quellenlage zu diesem Bau, der zu den Kirchen mit hoher Bedeutung für die Kunstgeschichte der justinianischen Architektur zählt, sind durch diese Arbeit gut bebildert erschlossen. Die Bauaufnahmen, Zeichnungen von Einzelbefunden und Rekonstruktionen lassen deutlich die Professionalität des Autors in dieser Hinsicht erkennen. (...) Nichtsdestoweniger kann man dem Buch als Befundpublikation den Status eines Standardwerkes zusprechen, auf das weitere Bearbeitungen einzelner Aspekte dieses bedeutenden frühchristlichen Baus zurückgreifen werden. Vor allem eine Bearbeitung der Fragen zu den liturgischen Abläufen im Heiligtum und der Bedeutung der Anlage innerhalb des kleinasiatischen Pilgerwesens in früh- und mittelbyzantinischer Zeit wäre ein weiteres lohnenswertes Unterfangen. Es bleibt zu wünschen, dass auch andere, baugeschichtlich ähnlich interessante Kirchenanlagen bei bedeutenden Fundplätzen der klassischen Antike in der Türkei, wie z. B. Pergamon, Milet, Perge, Side o. Ä. eine entsprechende, monografische Aufarbeitung auf dem Stand der Zeit erfahren werden.“
Sebastian Ristow
In: Sehepunkte. Ausgabe 6 (2006), Nr. 3.
http://www.sehepunkte.de/2006/03/9715.html (5. August 2010)