In Lauchheim (Ostalbkreis) wurde zwischen 1986 und 1996 der mit rund 1300 Gräbern des späten 5. bis späten 7. Jahrhundert bislang größte bekannte merowingerzeitliche Bestattungsplatz Südwestdeutschlands vollständig ausgegraben. Die Grabbeigaben zeichnen das lebendige Bild einer komplexen und einem vielfältigen Wandel unterliegenden Lokalgesellschaft. Die Beiträge dieses Sammelbands widmen sich der methodisch wegweisenden, zerstörungsfreien Dokumentation von über 330 Blockbergungen und mehr als 100 Einzelobjekten mittels Mikro-Computertomographie sowie dem multidisziplinären, die Gesamtheit des Grabbefundes betrachtenden Auswertungsansatz, dargestellt am Beispiel einer sich durch die bemerkenswerte Erhaltung von organischen Materialien auszeichnenden Baumsargbestattung.
In Lauchheim (Ostalbkreis) wurde zwischen 1986 und 1996 der mit rund 1300 Gräbern des späten 5. bis späten 7. Jahrhundert bislang größte bekannte merowingerzeitliche Bestattungsplatz Südwestdeutschlands vollständig ausgegraben. Seit 2009 sind die Bestattungen aus Lauchheim Gegenstand eines multidisziplinären Forschungsprojekts, das sich durch die Anwendung innovativer Dokumentationsmethoden mit dem Anspruch einer möglichst vollständigen Datenerfassung auszeichnet. Die Beiträge dieses Sammelbands widmen sich zwei Grundpfeilern des Projekts: der methodisch wegweisenden, zerstörungsfreien Dokumentation von über 330 Blockbergungen und mehr als 100 Einzelobjekten mittels Mikro-Computertomographie sowie dem multidisziplinären, die Gesamtheit des Grabbefundes betrachtenden Auswertungsansatz. Im Rahmen des Projektes bot sich außerdem die Gelegenheit, erstmals sämtliche erhaltenen organischen Artefakte eines großen frühmittelalterlichen Friedhofes zu erfassen und so die Ergebnisse älterer textilarchäologischer Untersuchungen an auszugsweise erfassten Quellenbeständen maßgeblich zu ergänzen. Wegen der hohen Anzahl organischer Funde mussten gängige Untersuchungs- und Dokumentationsmethoden maßgeblich modifiziert werden.
Den Auftakt des Bandes bildet die Dissertation von Jörg Stelzner, in der die Computertomographie als Untersuchungs- und Dokumentationsmethode für eine große Anzahl von Blockbergungen und einzeln geborgenen Funden überprüft wurde. Das frühmittelalterliche Gräberfeld Lauchheim „Wasserfurche“ bot hierfür ein weites Spektrum an Objekten und Materialien. Untersucht wurden die zentralen Anforderungen an die Methode, wie die Visualisierung der unterschiedlichen Funde und die Materialbestimmung für die Objektansprache sowie die Klärung der Stratigraphie in den Blockbergungen. Hierdurch wurde bestätigt, dass eine beschleunigte Aufarbeitung der Funde in ausreichender Qualität möglich ist. Darüber hinaus konnten weitreichende Erkenntnisse zu Materialeigenschaften und Herstellungstechniken gewonnen werden.
Zwei Beiträge (B. Höke, J. Banck-Burgess et al.) widmen sich der Baumsargbestattung Grab 974, die zusammen mit einigen weiteren Gräbern des späten 5. Jahrhunderts am Anfang der Belegung des großen Bestattungsplatzes „Wasserfurche“ steht. Die Ausstattung des Frauengrabes, zu der auch verschiedene bemerkenswerte Textilien gehörten, spiegelt eine gehobene Lebensweise und wirft Schlaglichter auf eine weit vernetzte materielle Kultur der frühen Merowingerzeit. Die sorgfältige Dokumentation des Befundes ermöglicht detaillierte Einsichten in die komplexen Vorgänge rund um die Beisetzung, wozu die Fertigung des Sarges aus einem Eichenstamm, die Vorbereitung und Einkleidung der Toten und die Deponierung der Beigaben vor dem Verschließen des Grabes gehören. Innovative Untersuchungsmethoden, wie die Computertomographie, können im Bereich der Blockbergungen eine akribische, händische Befundauswertung nicht ersetzen. Trotz einer stark vergangenen Organik mit Schichtabfolgen, die häufig nur wenige Millimetern stark waren, ließen sich die wesentliche Textilfunde und -befunde in der Baumsargbestattung 974 über Mikro-Schichtabfolgen nachweisen. Dazu zählen gesonderte Textilbeigaben; eine gepolsterte Decke, die die Bestattung abdeckte; der Nachweis von Seidentaft im gesamten Körperbereich; gepolsterte Bundschuhe oder Befundbeobachtungen zur Präsentation der Toten im Grab. Informationen zu organischen Funden bleiben für den historischen Kontext weitgehend unerschlossen, wenn eine Befunddokumentation unterbleibt. Letztere setzt jedoch Kapazitäten voraus, die in der archäologischen Denkmalpflege nur exemplarisch genutzt werden können.
Den Abschluss bildet eine Betrachtung von Ch. Peek zu den Möglichkeiten und Grenzen textilarchäologischer Untersuchungen an organischen Artefakten aus dem Gräberfeld von Lauchheim.
Dr. Jörg Stelzner, geb. 1977; Studium der Konservierung und Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (SABK); Promotion 2016 über „Die Computertomographie als Untersuchungs- und Dokumentationsmethode zur Bearbeitung frühmittelalterlicher Fundkomplexe“; wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt „Lauchheim“ am Landesamt für Denkmalpflege Baden Württemberg (2007–2015), im DBU Projekt „Glasinduzierte Metallkorrosion an Kulturgut“ an der SABK Stuttgart (2016–2019) und seit 2019 im D-A-CH Projekt (DFG/SNF) „CUTAWAY“ am Römisch-Germanischen Zentralmuseum – Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie in Mainz. Seit 2016 freiberufliche Tätigkeit als selbständiger Restaurator. Forschungsschwerpunkt: Anwendung computertomographischer Verfahren in Konservierungswissenschaft und Archäologie, Präventive Konservierung.
Dr. Benjamin Nicolas Höke, geb. 1977; Studium der Vor- und Frühgeschichte, Ethnologie/Altamerikanistik und Historischen Geographie an der Universität Bonn, 2010 Promotion an der Universität München über den spätmerowingerzeitlichen Bestattungsplatz von St. Wolfgang in Neuburg a. d. Donau. Seit 2013 wiss. Mitarbeiter in den Lauchheim-DFG-Projekten (Uni Freiburg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart), seit 2018 Referent für Frühgeschichte beim Landesamt für Denkmalpflege; Forschungsschwerpunkt: Archäologie des Frühen Mittelalters.
Dr. Johanna Banck-Burgess, geb. 1962; Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie und Alten Geschichte in Freiburg und Kiel. Wissenschaftliche Angestellte an der Uni Freiburg 1990–1994. Promotion über die frühkeltischen Textilien aus Hochdorf/Eberdingen 1995. 1999–2003 Mitarbeiterin im DFG-Projekt alamannisches Textilhandwerk. Seit 2003 Inhaberin der einzigen Planstelle für Textilarchäologie in Deutschland am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Schwerpunkte: stark zersetzte Organik und Befunderhebung in Blockbergungen.
Christina Peek M. A., geb. 1972 in Bremen; Studium der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit sowie Mittelalterliche Geschichte und Didaktik der Geschichte in Bamberg. 2000–2002 Volontariat am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in der archäologischen Textilrestaurierung. Seit 2000 Lehraufträge an der SABK Stuttgart. 2002–2015 Projektmitarbeiterin am Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg. 2007–2015 DFG-Projekt „Lauchheim“. Seit 2014 Angestellte des Niedersächsischen Institutes für historische Küstenforschung in Wilhelmshaven. Forschungsschwerpunkt: Untersuchung und Dokumentation archäologischer Textilfunde.
Herausgeber
Prof. Dr. habil. Dirk L. Krausse, geb. 1962, Studium der Ur- und Frühgeschichte, Ethnologie, Biologie in Göttingen und Kiel. Promotion an der Universität Kiel mit einer Dissertation über das frühkeltische Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf. Tätigkeit in Lehre und Forschung an der Universität Kiel 1993–2003. Habilitation über den eisenzeitlichen Kulturwandel und die Romanisierung im Eifel-Ardennenraum an der Universität Kiel 2001. Seit 2003 Referatsleiter, seit 2008 Landesarchäologe und Abteilungsdirektor am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart mit Arbeits- und Forschungsschwerpunkt Eisenzeit und Leitung der Ausgrabungen an der Heuneburg. Apl. Professur für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen.
Prof. Dr. Sebastian Brather, geb. 1964; Studium der Ur- und Frühgeschichte, Geschichte und Anthropologie in Berlin, Promotion 1995 in Berlin über „Feldberger Keramik und frühe Slawen“, Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts 1996/1997, Habilitation 2002 in Freiburg über „Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie“, Heisenberg-Stipendiat der DFG 2004–2006, Gastprofessur für frühgeschichtliche Archäologie in Wien 2004/2005, seit 2006 Professur für Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters in Freiburg. Forschungsschwerpunkte: Archäologie des frühen und hohen Mittelalters, Sozialstrukturen und Identitäten in der Archäologie, Wissenschaftsgeschichte der Archäologie.
Dr. Jonathan Scheschkewitz, geb. 1973 in Hannover, Studium der Ur- und Frühgeschichte, mittelalterliche und neuere Geschichte sowie historische Geographie an den Universitäten Bonn, Köln und Kiel. Promotion 2004 in Kiel über „Das spätrömische und angelsächsische Gräberfeldes von Wasperton, Warwickshire“. Seit 2007 am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Seit 2016 stellvertretender Referatsleiter und Leiter des Fachbereichs Mittelalter- und Neuzeitarchäologie mit Arbeits- und Forschungsschwerpunkt Stadtarchäologie und Archäologie des ländlichen Raums.
Dipl. Restauratorin Nicole Celine Ebinger, geb. 1974, Studium der Konservierung und Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (SABK), laufende Promotion an der SABK zum Fürstinnengrab vom Bettelbühl an der Heuneburg, Lehrbeauftragte an der SABK. Seit 2008 Leiterin der Archäologischen Restaurierung am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Eines der Spezialgebiete ist die Bergung von archäologischen Blockbergungen sowie deren Freilegung, Dokumentation und Auswertung mittels Röntgen-Computertomographie.
Dr. Ingo Stork, geb. 1949 in Landsberg am Lech. Studium der Vor- und Frühgeschichte, Provinzialrömischen Archäologie und Alten Geschichte an den Universitäten München, Tübingen und Kiel. 1979 Promotion in München über „Die mittel- und spätlatènezeitliche Siedlung von Breisach-Hochstetten“. 1978–1980 wissenschaftlicher Assistent am Münchner Institut. Ab 1980 Gebietskonservator beim Landesdenkmalamt Baden-Württemberg in Stuttgart, seit 1994 Hauptkonservator und Leiter des Referats Vor- und Frühgeschichte für den Regierungsbezirk Stuttgart. 2005 Fachbereichsleiter Archäologie des Regierungsbezirks im Landesamt für Denkmalpflege. Wissenschaftlicher Leiter der Ausgrabungen des Gräberfelds und der zugehörigen Siedlung in Lauchheim von 1986 bis 2005. Seit 2011 im Ruhestand
Die „Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg “ erscheinen ab 2016 als neue, hochwertige monographische Reihe des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Die neue Reihe vereint die drei etablierten archäologischen Reihen des Landesamts (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte, Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters sowie die Materialhefte zur Archäologie), die sich inzwischen inhaltlich und in ihrem Umfang kaum mehr voneinander unterscheiden, in einem neuen, modernen Design.
In der Reihe erscheinen in erster Linie Monographien, daneben aber auch Sammelwerke wie z. B. Tagungsbände. Die publizierten Forschungsergebnisse resultieren vor allem aus archäologischen Ausgrabungen der Landesdenkmalpflege, die häufig im Rahmen von akademischen Abschlussarbeiten aufgearbeitet wurden. Thematisch wird die Archäologie in ihrer gesamten zeitlichen Tiefe abgedeckt, von der Vor- und Frühgeschichte über die Provinzialrömische Geschichte und das frühe Mittelalter bis zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Die neue Reihe ist das wissenschaftliche Aushängeschild der archäologischen Denkmalpflege in Baden-Württemberg.