Für die erste Ausgabe des „Jahrbuch Musiktherapie“ wurde der Titel „Forschung und Entwicklung“ gewählt, ein Motto, das an Aktualität nie verlieren wird. In diesem Jahrbuch werden Beiträge veröffentlicht, die das jeweilige Thema oder einzelne seiner Aspekte aus unterschiedlichen Perspektiven oder durch verschiedene theoretische Ansätze behandeln. In jeder Ausgabe werden außerdem Kurzfassungen aktueller Dissertationen und ähnlicher wissenschaftlicher Arbeiten veröffentlicht, die einen Überblick über den Forschungsstand zur Musiktherapie zu geben. Hinzu kommen Rezensionen, die das musiktherapeutische Bild und das Jahrbuch abrunden.
Aus dem Inhalt:
Beiträge:
Empathie in der Musiktherapie − ein Mythos? (Susanne Metzner)
Music Therapy as a Way to Enhance Lucidity in Persons with Dementia in Advanced Stages (Hanne Mette Ochsner Ridder)
Vom Suchen und Finden − musiktherapeutische Handlungsformen und deren Beobachtung in einer prozessorientiert geführten ambulanten Gruppenmusiktherapie bei Patienten mit Alzheimer Demenz (Jan-Peter Sonntag, Ute Hennings, Hans Ulrich Schmidt, Thomas Müller-Thomsen)
Körpertambura − ein neues musiktherapeutisches Instrument (Bernhard Deutz, Cordula Dietrich)
Zur Bedeutung bildgebender und elektromagnetischer Verfahren für Musik und Musiktherapie (Thomas Stegemann)
Musiktherapie und Sozialrecht (Peter Mrozynski, Stefan M. Flach)
Dissertationen zu aktuellen Forschungsthemen:
Toward a Notion of Community Music Therapy (Brynjulf Stige)
Using a Music Therapy Collaborative Consultative Approach for the Inclusion of Young Children with Autism in a Child Care Program (Petra Kern)
Was beeinflusst die Effektivität von Musiktherapie bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen? (Christian Gold)
Vorwort (Hanna Schirmer)
Geleitwort (Stefan M. Flach)
Beiträge
Empathie in der Musiktherapie − ein Mythos?
(Susanne Metzner)
Music Therapy as a Way to Enhance Lucidity in Persons with Dementia in Advanced Stages
(Hanne Mette Ochsner Ridder)
Vom Suchen und Finden − musiktherapeutische Handlungsformen und deren Beobachtung in einer prozessorientiert geführten ambulanten Gruppenmusiktherapie bei Patienten mit Alzheimer Demenz
(Jan-Peter Sonntag, Ute Hennings, Hans Ulrich Schmidt, Thomas Müller-Thomsen)
Körpertambura − ein neues musiktherapeutisches Instrument
(Bernhard Deutz, Cordula Dietrich)
Zur Bedeutung bildgebender und elektromagnetischer Verfahren für Musik und Musiktherapie
(Thomas Stegemann)
Musiktherapie und Sozialrecht
(Peter Mrozynski, Stefan M. Flach)
Dissertationen zu aktuellen Forschungsthemen
Toward a Notion of Community Music Therapy
(Brynjulf Stige)
Using a Music Therapy Collaborative Consultative Approach for the Inclusion of Young Children with Autism in a Child Care Program
(Petra Kern)
Was beeinflusst die Effektivität von Musiktherapie bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen?
(Christian Gold)
Buchbesprechungen
Die Autoren
Register
„Der Berufsverband der Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten in Deutschland e. V. gibt seit letztem Jahr ein Jahrbuch Musiktherapie als Fortsetzung der Vorgängerschrift »Einblicke« heraus. Die Jahrbücher sollen Beiträge zu einem Thema beziehungsweise Themenkomplex aus unterschiedlicher Sicht behandeln. Der vorliegende erste Band widmet sich der Forschung und Entwicklung und berücksichtigt Beiträge zu folgenden Themen: Empathie in der Musiktherapie – ein Mythos? ( S. Metzner), Music Therapy as a Way to Enhance Lucidity in Persons eich Dementia in Advanced Stages (H. M. Ochsner Ridder), Vom Suchen und Finden – musiktherapeutische Handlungsformen und deren Beobachtung in einer prozessorientiert geführten ambulanten Gruppenmusiktherapie bei Patienten mit Alzheimer Demenz (J.-P. Sonntag, U. Hennings, H. U. Schmidt, T. Müller-Thornsen), Körpertambura – ein neues musiktherapeutisches Instrument (B. Deutz, C. Dietrich), Zur Bedeutung bildgebender und elektromagnetischer Verfahren für Musik und Musiktherapie (T. Stegemann), Musiktherapie und Sozialrecht (P. Mrozynski, S. Flach). Daneben werden elf Bücher rezensiert (v.a. Erscheinungsjahr 2004) und drei Dissertationen vorgestellt (B. Stige, Toward a Notion of Colnmunity Music Therapy; P. Kern, Using a Music Therapy Collaborative Conultative Appraoch fort he Inclusion of Young Children wich Autism in a Child Care Program; C. Gold, Was beeinflusst die Effektivität von Musiktherapie bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen?).
Auch wenn die einzelnen Arbeiten durchaus interessant sind, so sind die Beiträge teilweise zu ausführlich. Es wird dem Leser auch nicht klar, nach welchen Kriterien die Beiträge und Dissertationen ausgewählt wurden. So stellt sich die Frage, warum gerade diese drei Dissertationen dargestellt wurden und andere nicht? Welcher Zeitraum und welche Hochschulen wurden berücksichtigt? An wen richtet sich das Jahrbuch Musiktherapie, ausschließlich an Musiktherapeuten oder auch an angrenzende Berufsgruppen?
Vor dem Erwerb dieses Jahrbuchs Musiktherapie sollte man sich darüber in] Klaren sein, dass es eine große Bandbreite wissenschaftsmethodischer Ansätze und musiktherapeutischer Tätigkeitsfelder streift. Auf der anderen Seite möchte man insbesondere einigen Beiträgen eine besonders große Leserschaft und die Diskussion der dargestellten Inhalte wünschen. Hierzu gehört der Beitrag von Susanne Metzner, die den in therapeutischen Zusammenhängen oft inflationär gebrauchten Empathiebegriff mehrdimensional darstellt und damit der Bedeutung der Empathie für die Therapie eine fundierte Rechtfertigung schafft. Um sich der in letzter Zeit viel diskutierten Community Music Therapy anzunähern, ist die Darstellung der Dissertation von Brynjulf Stige bestens geeignet. Der Beitrag von Peter Mrozynski und Stefan Flach eignet sich, Defizite in der Einschätzung der eigenen berufsrechtlichen Situation in Zusammenhang mit sozialrechtlichen Bestimmungen umfassend abzubauen. Zusammenfassend: Man wünschte sich nach diesem erstem Jahrbuch eine weitere und schlüssigere Profilierung.“
In: Musiktherapeutische Umschau. 27 (2006) 2. S. 189-190.
Bernhard Deutz
war nach dem Studium der Erziehungswissenschaften, Psychologie und Musikwissenschaft in Heidelberg und Berlin zunächst mehrere Jahre als Diplompädagoge im sozialpädagogischen sowie im Bereich der Erwachsenenbildung tätig. Seit 1989 engagiert er sich als künstlerischer Musikinstrumentenbauer und Dozent in seinem Atelier „KlangWerkStatt" (Informationen dazu unter:
www.deutz-klangwerkstatt.de) Seine Schwerpunkte sind die Entwicklung und der Bau ungewöhnlicher Saiteninstrumente vorwiegend für den musiktherapeutischen Bereich. Als Absolvent eines Weiterbildungszyklus für Therapeuten in „Klanggeleiteter Trance" bei Wolfgang Strobel beschäftigt er sich in diesem Zusammenhang besonders mit monochromen Klängen. Der von ihm entwickelte Klangstuhl wurde 1996 von der World Federation of Music Therapy im Wettbewerb für neue Therapieinstrumente mit dem 2. Preis ausgezeichnet.
Dr. med. Cordula Dietrich
absolvierte das Studium der Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich Wilhelm Universität in Bonn und verfügt über klinische Erfahrung in der Inneren Medizin, der Neurologie, der Erwachsenenpsychiatrie und der Kinder und Jugendpsychiatrie. 2002 promovierte sie am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln mit der Arbeit: „Siddhamedizin, Vorstellung einer traditionellen ganzheitlichen Naturheilkunst“. Außerdem studierte sie einige Semester Musiktherapie an der Universität der Künste in Berlin. Derzeit ist sie als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in eigener Praxis in Berlin tätig.
Stefan M. Flach
Musiktherapeut BVM, absolvierte im Erstberuf eine Ausbildung im Sozialversicherungswesen und übte diesen Beruf drei Jahre aus, bevor er sich der Arbeit mit behinderten Menschen und schließlich der Musiktherapie zuwandte; mehrere zertifizierte Aus- und Weiterbildungen in Orff-Musiktherapie, explorativer Musiktherapie und Ausdruckstherapie in Deutschland und der Schweiz abgeschlossen, 1. Vorsitzender des Berufsverbandes der Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten in Deutschland e. V.; Dozent für Berufs- und Sozialrecht in der Musiktherapie am Institut für Musiktherapie (Ltg. Prof. Dr. H.-H. Decker-Voigt) der Hochschule für Musik und Theater, Hamburg, arbeitet z. Z. in einem Rehabilitationszentrum mit psychisch kranken Erwachsenen (in Peiting-Herzogsägmühle), in eigener Praxis mit behinderten und von Behinderung bedrohten Kindern und Jugendlichen, mit neurologisch geschädigten Patienten und Menschen in Lebenskrisen (in Burggen) und mit Studentinnen und Studenten der Musiktherapie und Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen (in Deutschland, Italien und Ungarn).
Dr. Christian Gold
promovierte 2003 mit den hier berichteten Arbeiten zum PhD im Fach Musiktherapie an der Universität Aalborg. Er absolvierte das Studium der Musiktherapie an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien und verfügt über klinische Erfahrung aus Kinder- und Jugendpsychiatrie und freier Praxis. Derzeit ist er als Associate Professor im Rahmen eines vierjährigen Forschungsprojektes am Sogn og Fjordane University College beschäftigt. Ausgewählte Arbeiten des Autors sind im Internet auf
www.hisf.no/~chrisgol zu finden.
Ute Hennings
Studierte Rhythmik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg. Mitgliedschaft als Musiktherapeutin (BVM) im Berufsverband der Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten. Seit 1995 arbeitet sie als Musiktherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Einrichtung für Knochenmarktransplantation im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Teilnahme an Forschungsprojekten mit den Schwerpunkten Onkologie / Hämatologie, Geriatrie, Neurologie.
Prof. Dr. Susanne Metzner
lehrt an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Studiengang Musiktherapie. Sie ist Diplom-Musiktherapeutin, Diplom-Szialpädagogin, Diplom-Musikerin und approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Ihre klinischen Erfahrungen gehen zurück auf die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, insbesondere im Praxisfeld der Psychiatrie. Einige Ihrer Schwerpunkte sind: Psychoanalyse, Improvisation, Praxisforschung Onkologie sowie Berufspolitik.
Dr. med. Tomas Müller-Thomsen
Kunststudium an der Free International University Hamburg, weiterhin freie künstlerische Tätigkeit. Medizinstudium. Psychiater, analytisch orientierter Gruppenpsychotherapeut. Längjährige Tätigkeit an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, dort Aufbau und Leitung einer Gedächtnissprechstunde. Jetzt oberärztlicher Leiter der Institutsambulanz der psychiatrischen Klinik Häcklingen / Lüneburg (ab 2006: Uelzen). Arbeitsschwerpunkt-. Dementenversorung, Früherkennung von Demenz sowie fallbezogene Teamsupervision. Dozententätigkeit für unterschiedliche gerontopsychiatrische Fortbildungseinrichtungen und das Institut für Kunst und Therapie Potsdam. Veröffentlichungen zur Alzheimer Krankheit und Kunsttherapie.
Hanne Mette Ridder
works as associated professor at the Institute of Music and Music Therapy at the University of Aalborg. She completed her music therapy training at the University of Aalborg in 1989 and has since then worked with children, adolescents and especially with elderly people. In 2003 she completed her PhD-dissertation with the title „Singing Dialogue. Music therapy with persons in advanced stages of dementia. A case study research design“ from Aalborg Research School of Music Therapy. Her clinical work and research is focused an music therapy with persons with neurodegeneration at different stages. Her husband is German and for a short period (1991-1992) she worked as a music therapist in Paderborn in Germany. She has written the Danish book „Musik & Demens“ (2002, 2005) and published English articles and book chapters together with David Alridge.
Dr. med. Hans Ulrich Schmidt
Studium der Klavierpädagogik, Gasthörerstudium der Musiktherapie. Studium der Humanmedizin: Promotion zum Dr. med. über ein musiktherapeutisches Thema („Gruppenmusiktherapie bei Borderlinepatienten“) an der Universität Hamburg. Zusatzbezeichnung „Psychotherapie“. Facharzt für Psychotherapeutische Medizin. Assistenzarzt an der Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie im Zentrum für Innere Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Dozent im Modell-Masterstudiengang Musiktherapie an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg. Psychotherapeutische Forschung mit Schwerpunkt Musiktherapie. Mitglied der Arbeitsgruppe „Qualitative Musiktherapieforschung“ an der Universität der Künste Berlin und der Ulmer Arbeitsgruppe. Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie. Zahlreiche Veröffentlichungen zu musiktherapeutischen Themen.
Jan-Peter Sonntag
absolvierte das Studium der Musiktherapie an der Fachhochschule Heidelberg, ist Heilpraktiker für Psychotherapie und Yogalehrer (BDY). Neben der eigenen therapeutischen Tätigkeit in der Begleitung von Menschen mit Demenz baute er ein musiktherapeutisches Team für 11 Pflegeheime des Hamburger Trägers „pflegen & wohnen“ auf. Außerdem ist er als Dozent u. a. im gerontopsychiatrischen Fort- und Weiterbildungsbereich tätig, sowie als Autor und Mitarbeiter in Forschungsprojekten. Sein wissenschaftliches Interesse führte 2004 zu einer Aufnahme als Doktorand in den Promotionsstudiengang Musiktherapie der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Veröffentlichungen zu Themen der Klangökologie, Praxis und Konzeption von Musiktherapie für Menschen mit Demenz, Musik und Erinnerung etc.
Dr. med. Thomas Stegemann
Gitarrenstudium am Musicians Institute in Los Angeles, USA. Medizinstudium in Mainz und Kiel. Arzt im Praktikum an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen. Fernstudium und Diplom-Abschluss „BWL für Ärztinnen und Ärzte“, Bonn. Diplom-Aufbaustudium Musiktherapie an der Hochschule für Musik und Theater, Hamburg (Prof. Decker-Voigt). Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistenzarzt in Weiterbildung an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Dort auch Leiter und Koordinator der Forschungsgruppe Neuroimaging.
Brynjulf Stige
PhD, Associate Professor and Head of Music Therapy at Sogn og Fjordane University College, Faculty of Health Studier, Sandane. Stige worked for five years as a music therapist with a community based approach before he in 1988 published his first book exploring community perspectives in music therapy: Med lengting, liv og song [Wich Longing, Life, and Song] (written together with Mette Kleive). He har continued to develop this area, most recently in the dissertation Elaborations toward a Notion of community Music Therapy (2003) and previously in books such as Samspel og relasion [Interaction and Relationship] (1995) on theoretical perspectives on inclusive music-making. The recently published Culture-Centered Music Therapy (2002) and Contemporary Voices in Music Therapy (2002, edited with Carolyn Kenny) are his first books in English. Stige is editor-in-chief of Nordic Journal of Music Therapy and co-editor (with Carolyn Kenny) of Voices: A World Forum for Music Therapy.
Vorwort
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir freuen uns, heute die erste Ausgabe unseres „Jahrbuch Musiktherapie“ vorlegen zu können. Sie folgt der Tradition, denn schon die Vorgängerschrift „Einblicke“ war bereits als Jahresschrift konzipiert. Nun haben wir expandiert und konnten dazu den Dr. Ludwig Reichert Verlag mit Frau Ursula Reichert für unser Projekt gewinnen. Unsere kleine Einblicke-Redaktion wurde um vier Personen erweitert, wovon zwei leider ganz bzw. zeitweilig wieder ausschieden. An dieser Stelle möchten wir diesen Kolleginnen, Gitta Strehlow und Hedda Auffahrt, für ihre Mitarbeit bei der Konzepterstellung, Themensuche, Auswahl der Autoren usw. sehr herzlich danken. Ihre Mitwirkung fließt in unser Jahrbuch mit ein. Für die anfallenden Übersetzungsarbeiten wurde Mary Laqua in das Redaktionsteam aufgenommen.
Wir haben uns vorgenommen, Beiträge zu einem Thema oder Themenkomplex zu veröffentlichen, die das Thema oder Aspekte davon aus unterschiedlicher Sicht oder unterschiedlichem Klientel oder verschiedenem theoretischem Ansatz behandeln. Musiktherapeutische Ansätze sind heute weltweit von Bedeutung und Interesse und deshalb haben wir in diesem Zusammenhang die Form der Zweisprachigkeit gewählt. Ferner werden wir in jeder Ausgabe Kurzfassungen aktueller Dissertationen und ähnlicher wissenschaftlicher Arbeiten veröffentlichen, um einen Überblick über den Forschungsstand zur Musiktherapie zu erhalten. Hinzu kommen Rezensionen, die das musiktherapeutische Bild und das Jahrbuch abrunden.
Wir haben für die erste Ausgabe des „Jahrbuch Musiktherapie“ den Titel „Forschung und Entwicklung“ gewählt, ein Motto, das an Aktualität nie verlieren wird. Dies wird uns von der Redaktion weiterhin immer wieder beschäftigen, solange unsere berufliche Situation noch nicht zu unserer Zufriedenheit geklärt ist. Das Jahrbuch wird sich entsprechend in die eine oder andere Richtung entwickeln und deshalb werden wir versuchen, für jede Ausgabe einen Aspekt aus dem langsamen Gang der Zeit unserer Berufsentwicklung einzufangen.
Auf Wunsch von Autoren möchten wir noch darauf hinweisen, dass – wenn der Einfachheit halber in der männlichen Person geschrieben ist − die weibliche mit gemeint ist.
Nun wünschen wir Ihnen viel Lesevergnügen, Information und gutes Nachdenken.
Juni 2005
Für die Redaktion
Hanna Schirmer
Musiktherapie oder Vom Schmetterling im Hühnerhof
Liebe Leserin, lieber Leser des Jahrbuchs Musiktherapie 2005,
erlauben Sie mir, Sie in ein Bild meiner Kindheit mitzunehmen:
Ich bin etwa sechsjährig und wohne mit meinem älteren Bruder und meinen Eltern im Erdgeschoss eines Miethauses hinter der Klosterwiese. Dort – am Ende der Wiese – gibt es einen großen Hühnerhof. Oft stehe ich am Zaun, manchmal von der Mutter geschickt, um Essensreste, Eierschalen oder Körner zu füttern, manchmal, um dem Scharren und Picken dort zuzusehen. Ich erinnere gut das geschäftige Treiben der Hühner, das Stolzieren der Hähne und auch die Kämpfe untereinander – sei es um einen Futterbrocken oder um der Rangordnung willen.
Über der blühenden Klosterwiese gaukeln Schmetterlinge: Zitronenfalter und Kohlweißlinge, aber auch seltene Exemplare wie Admiral und Tagpfauenauge. Sollte nun einer dieser Schmetterlinge vom Duft all’ dessen angezogen werden, was den Hühnern vorgeworfen wurde oder sollte auch nur die Neugierde ihn durch die Maschen des Hühnerhofzaunes schlüpfen lassen und sollte er auch noch das Pech haben, von den am Boden scharrenden, suchenden und hie und da pickenden Mistkratzern entdeckt zu werden, war es meist schon um ihn geschehen. Zwar nahm der Schmetterling den Hühnern nun wirklich kein Futter weg, doch bildete er offenbar einen besonderen Leckerbissen für die Hühnerschar, die sich um ihn balgte.
Jahrzehnte später erinnere ich diese Landschaft meiner Kindheit, wenn ich an Musiktherapie denke. Im Fächerkanon der modernen Therapiemethoden gebärdet sich Musiktherapie manches Mal als Schmetterling: leicht, gaukelnd, schillernd, filigran, vielfältig.
Durch kontinuierliche, geduldige (und manchmal hartnäckige) Arbeit zahlloser Kolleginnen und Kollegen konnte sich Musiktherapie etablieren und erfreut sich großer Akzeptanz bei Fachleuten, Betroffenen und Angehörigen. Bei einzelnen Diagnosen, Störungsbildern und daraus resultierenden Behinderungen ist sie das (Behandlungs-) Mittel der Wahl.
Damit sind wir wieder im Bild des Hühnerhofes aus meiner Kindheit:
Historisch begründet gibt es in Krankenbehandlung und Eingliederungshilfe, (Psycho-) Therapie und Förderung etablierte Berufsgruppen, die sich – lassen Sie es mich etwas salopp formulieren – den Hühnerhof teilen, die Ordnungen festlegen.
Dabei wird aus der reflektierten Rangordnung („Welche Maßnahme ist wann bei wem sinnvoll?“) schnell eine Hackordnung („Wer ist älter, lauter, stärker?“). Es entstehen Ängste, wenn ein schillernder Falter in die Lufthoheit eindringt, die nun mal auch zum Hühnerhof gehört.
Können Schmetterlinge Angst machen?
In den Alpen gibt es die Sage, dass Hexen und deren männliche Pendants – die Unholde – in manchen Nächten Schmetterlingsgestalt annähmen um dann den Rahm von der Milch zu schlürfen.
„Schmetter“ ist der Rahm und von diesem altsächsischem Wort führt eine Brücke zum angelsächsischen „Butterfly“. Rahm oder Butter zu stehlen, gilt seit je her als schlimmes Verbrechen.
Manches Mal präsentieren sich Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten ebenso schillernd wie Schmetterlinge, umgeben sich mit auch exotischen Instrumenten, pflegen eine sich weiter ausdifferenzierende Fachsprache, arbeiten hinter geschlossenen Türen, durch die ebenso Vielfältiges wie Unverständliches an Tönen, Klängen, Geräuschen und Rhythmen dringt ... und lösen damit Ängste aus, anderen den Rahm vom Milchtopf oder die Butter vom Brot stehlen zu wollen.
Hier hilft nur Aufklärung:
(Berufs-) Politik ist Kommunikation:
Austausch mit Therapiebedürftigen und Angehörigen, Vertretern eigener und angrenzender Berufsgruppen, Ärzten und weiteren therapeutischen Kollegen, Vertretern der Kostenträger wie der Medien.
Hierin sieht der Berufsverband der Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten in Deutschland e. V. (BVM) seine besondere Aufgabe:
Die Musiktherapie und die sie erbringenden Professionals stärker bekannt zu machen, weiter zu etablieren, rechtlich abzusichern, Ängste abzubauen, Netzwerke zu knüpfen und zu unterstützen.
Deshalb gibt der BVM das Jahrbuch Musiktherapie heraus, und ich freue mich, einige Worte zum Geleit mitgeben zu dürfen. Ich wünsche mir, dass durch das Jahrbuch Musiktherapie die Kommunikation untereinander und miteinander angeregt wird und zurück wirkt auf die Autorinnen und Autoren, Redakteurinnen und Redakteure und die vielen Fleißigen im Hintergrund, ohne deren Hilfe dieses Buch nie zustande gekommen wäre. Und ich wünsche, dass das Jahrbuch Musiktherapie die Fachliteratur bunter und vielfältiger macht und sich dabei gerade auch der berufsständischen und berufsrechtlichen Themen annimmt, die primäres Anliegen eines musiktherapeutischen Berufsverbandes sind.
Burggen, im Sommer 2005
Stefan M. Flach
1. Vorsitzender des Berufsverbandes der Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten in Deutschland e.V.