Im Buch legt Alessandra Palla die erste umfassende und vollständige Untersuchung zur Überlieferungsgeschichte der Schrift De Thucydidis idiomatibus, gemeinhin als Epistula ad Ammaeum II bekannt, des Dionysios von Halikarnassos vor. Die vollständige Untersuchung aller Manuskripte und die innovativen Ergebnisse ermöglichen eine neue Rekonstruktion der stemmatischen Beziehungen der Textzeugen der Epistula. Die vorliegende Studie stellt die notwendige Voraussetzung für eine historisch-kritische Ausgabe mit Kommentar dar, ein Projekt, dem sich die Verfasserin derzeit widmet.
Alessandra Palla liefert in dieser Abhandlung die erste umfassende und vollständige Untersuchung zur Überlieferungsgeschichte des Werkes De Thucydidis idiomatibus von Dionysios von Halikarnass, die gemeinhin als Epistula ad Ammaeum II bezeichnet wird. Während die bisherige Forschung übereinstimmend die Ergebnisse der Ende des 19. Jahrhunderts von H. Usener durchgeführten Studien übernahm, zeigt die vorliegende Arbeit bedeutende Fortschritte. Zum einen bestehen sie in der ausführlichen Heuristik sämtlicher Handschriften der Epistula: Palla bezieht erstmals zehn aus dem 14. bis 16. Jahrhundert datierende Manuskripte mit ein, die früheren Forschern nicht bekannt waren oder die nicht berücksichtigt wurden. Darüber hinaus betrachtet die Autorin ein in der Dionysios-Forschung bisher nicht beachtetes Pergament-Fragment, das sich heute im Staatsarchiv in Modena befindet und sehr wahrscheinlich auf die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts zurückgeht. Trotz des geringen Textumfangs spielt das Modena-Fragment eine entscheidende Rolle und ermöglicht es mit dem Gesamtergebnis der recensio, die handschriftliche Überlieferung der Epistula anders als bisher zu rekonstruieren. Im Gegensatz zu früheren Studien lassen sich jetzt nicht mehr alle Zeugnisse der Epistula auf den Parisinus gr. 1741 (siglum P) zurückführen, der aus der Mitte des 10. Jahrhunderts datiert, sondern nur knapp die Hälfte. Die anderen Zeugnisse sind auf eine verlorengegangene Handschrift (siglum Θ) zurückzuführen, die vermutlich kaum weniger alt ist als P, wie das Modena-Fragment beweist.
Die vorliegende Studie erkennt also P und Θ als Hauptzeugnisse der Epistula, rekonstruiert die Deszendenz beider Handschriften bis zu den editiones principes und listet die jeweiligen Trennfehler von P und Θ sowie auch Bindefehler auf. Das erlaubt, die Abstammung von P und Θ von demselben Archetyp (siglum Ω) zu identifizieren.
Alessandra Palla rekonstruiert die handschriftliche Überlieferung und das Nachleben der Epistula in den verschiedenen Epochen und den vielfältigen kulturellen Kontexten im Detail. Außerdem bestimmt die Autorin die Filiationsverhältnisse zwischen den heute noch vorhandenen Zeugnissen. So wird es möglich, zum ersten Mal auch das stemma codicum der Epistula aufzustellen.
Alessandra Palla (Pisa, 24.11.1985) absolvierte an der Universität Pisa das Studium der „Scienze dell’Antichità“ und wurde im Fach „Griechische Philologie“ promoviert (Joint PhD-Verfahren mit der Universität Hamburg). Seit 2019 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Handschriftenforschung, in der Textkritik und -edition sowie in der Rhetorik. Außerdem beschäftigt sie sich intensiv mit dem Werk Platons und dessen Rezeption.