Die Arbeit untersucht verschiedene Untergruppen sog. synthetischer agglutinierender Handlungspassiva des Georgischen hinsichtlich ihrer grammatisch-logischen, pragmatisch-kommunikativen und lexikalisch-stilistischen Funktionen. In der bis ins 4. Jahrhundert zurückreichenden literarischen Tradition des Georgischen sind unterschiedliche Entwicklungstendenzen insbesondere bezüglich affigierter Handlungspassiva zu erkennen, die durch das breit angelegte Untersuchungscorpus der Arbeit dokumentiert werden. Ein weiteres Ziel der Arbeit ist, die möglichen Gründe für diese Entwicklungstendenzen zu erforschen.
In diesem Zusammenhang wird einerseits die Evolution der Genus-Opposition vom Altgeorgischen bis zum Neugeorgischen analysiert, insbesondere im Hinblick auf die Beziehung zwischen präfigierten und suffigierten Passivtypen, andererseits werden eventuelle Einflüsse bzw. Superstrat-Effekte des Griechischen als der primären, dominierenden Vorlagesprache übersetzter Texte im Hinblick auf die Verwendung des morphologischen Passivs überprüft.
Diese Monographie behandelt das Handlungspassiv und seine Entwicklungstendenzen im Georgischen, der prominentesten autochthonen südkaukasischen (kartwelischen) Sprache, die durch ihre lange schriftliche Überlieferung von 1500 Jahren, durch ihre Abweichung vom europäischen Standardtyp und durch die Komplexität ihrer verbalen Diathesen von
allgemeinerem Interesse ist. Im Hinblick auf die zahlreichen typologischen Auffälligkeiten des Georgischen verdient das Passiv ein besonderes Augenmerk. Angesichts der Bedeutung des georgischen Verbs für die allgemein-sprachwissenschaftliche Diskussion werden für Nicht-Kartvelologen in einleitenden Abschnitten des Buches das Georgische, seine Geschichte und die Grundlagen der georgischen Morphologie und Syntax skizziert. In der Monographie ist die umfangreiche autochthone Sekundärliteratur zum Passiv gesichtet, kritisch beleuchtet und der westlichen Linguistik damit zugänglich gemacht.
Während das Passiv in den europäischen Sprachen meist ausschließlich oder primär als ‚Konversionsform‘ entsprechender transitiver Aktivformen gelten kann, gibt es im Georgischen eine sehr große Zahl nicht von Aktiva abgeleiteter oder diesen
gegenüberstehender Passiva. Das Prinzip der ‚Konversion‘, d.h. der Transformation von Passivkonstruktionen aus Aktivsätzen nach dem Vorbild der traditionellen Grammatik, setzt voraus, dass ein gegebenes ‚direktes Objekt‘ zum ‚Subjekt‘ wird und das ursprüngliche Subjekt entweder eliminiert oder in eine Prä- bzw. Postpositionalphrase ‚abgedrängt‘ wird. Während dieser Vorgang in den indogermanischen Sprachen des europäischen Typs relativ leicht beschreibbar ist, da hier das Subjekt jeweils an zwei klaren Merkmalen erkennbar ist, nämlich dem Kasus Nominativ und der Personen-Numeruskongruenz mit dem finiten Verb, ist die Aufstellung entsprechender Merkmale im Georgischen, als in einer Sprache mit‚ gespaltener Ergativität‘, in der Nominativ- und Ergativkonstruktionen in Bezug auf bestimmte Tempusformen transitiver Verben distribuiert sind, wesentlich komplexer. Die Arbeit behandelt die theoretischen Grundlagen, die im Zusammenhang mit dem georgischen Passiv eminent wichtig sind, wie z.B. die Codierung von Relationen im Satz, den Subjektbegriff im Georgischen, Diathese und Valenzparadigmata, Flexions- vs. Derivationsmorphologie. Untersucht werden des Weiteren verschiedene Untergruppen sog.
synthetischer Handlungspassiva des Georgischen hinsichtlich ihrer grammatisch-logischen, pragmatisch-kommunikativen und lexikalisch-stilistischen Funktionen. An Beispielen aus der Bibelübersetzung wird darüber hinaus versucht zu eruieren, inwieweit sich im altgeorgischen Schrifttum im Gebrauch von Passivformen eventuelle Einflüsse bzw. Superstrat-Effekte des Griechischen als der primären, dominierenden Vorlagesprache nachweisen lassen. Die Arbeit geht dabei u.a. der auch aus allgemein-sprachwissenschaftlicher Sicht höchst bemerkenswerten Tatsache nach, dass sich in der diachronen Entwicklung vom Alt- zum Neugeorgischen ein Vordringen suffixaler Passivbildungen bei gleichzeitigem Rückgang präfigierter Typen feststellen lässt, was durch das breit angelegte Untersuchungscorpus dokumentiert wird.
Akademischer Hintergrund
Promotion (Dr. phil.) Vergleichende Sprachwissenschaft, Goethe-Universität zu Frankfurt am Main
(1999-2005)
Magister (M. A.) Deutsche Philologie, Staatliche Iwane Dschawachischwili-Universität Tbilisi (1996-
1998)
Philosophische Fakultät der Universität Konstanz (1997-1998)
Philosophische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (1995-1996)
Bachelor (B.A.) Germanistik, Fakultät für westeuropäische Sprachen und Literaturen, TSU
Stipendien
Stipendium der Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) (1999-2004)
Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) (1997)
Stipendium im Rahmen des GIP-Sonderprogramms des DAAD (1995)
Derzeitige Position
Associate Professorin an der Caucasus University, CSM (Caucasus School of Media)
Interessengebiete
Interkulturelle Kommunikation, Multikulturalismus, Sprachtypologie, Sprachphilosophie,
interdisziplinäre Studien, Diskursanalyse, Soziolinguistik, strategische Kommunikation und
Management, Unternehmenskommunikation.
Die Reihe „Folia Caucasica“ wurde 2011 vom Frankfurter Linguistischen Kreis ins Leben gerufen, um wissenschaftlichen Untersuchungen rund um den seit 2005 bestehenden Studienschwerpunkt Kaukasische Sprachwissenschaft am Institut für Empirische Sprachwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt eine Veröffentlichungsplattform zu bieten. Initiiert wurde die Reihe durch die 2011 von Manana Tandashvili und Zakaria Pourtskhvanidze in Tbilisi herausgegebene gleichnamige Festschrift für Jost Gippert. Wie schon die Festschrift widmen sich die „Folia Caucasica“ auch weiterhin einer umfassenden Erforschung der kaukasischen Sprachenwelt. Sie sind offen für Einzeluntersuchungen und Sammelbände, die sich auf allgemeine und spezifische Aspekte der Kaukasussprachen in Geschichte und Gegenwart beziehen. Manuskripteinreichungen sind in deutscher und englischer Sprache möglich.