Die Untersuchung gibt erstmals einen umfassenden Einblick in den Bestand an Kleidungszubehör, v.a. Fibeln und Gürtelschnallen, aus dem spätantiken Nordafrika. Im ersten von zwei Teilen werden die Funde der jüngsten Phase römischer Herrschaft und die der anschließenden vandalischen Zeit vorgelegt − ein Großteil davon bislang unpubliziert. Außer Aspekten der Chronologie und der geographischen Fundverteilung dieser für die Provinzialrömischen und die Frühgeschichtliche Archäologie äußerst wichtigen Fundgruppe stehen Fragen zum Trägerkreis und der kulturellen Identität der Träger im Mittelpunkt der Arbeit.
Im metallenen Kleidungszubehör, einem wichtigen Bestandteil der Kleidung, spiegeln sich soziale Identitäten. Besonders Fibeln und Gürtelschnallen dienten in der Spätantike als „Blickfang“, der wesentlich zur Rangbestimmung und Repräsentation des Trägers beitrug. Sie konnten darüber hinaus die kulturelle Selbstzuordnung und das christliche Bekenntnis des Trägers zum Ausdruck bringen. Der Gürtel galt als Zeichen der Rechtsfähigkeit und bildete seit tetrarchischer Zeit als cingulum militiae ebenso wie der von einer besonderen Fibel zusammengehaltene Mantel (paludamentum, chlamys) einen integralen Bestandteil der zivilen wie militärischen Amtstracht. Aus Nordafrika waren Funde von spätantikem Kleidungszubehör bislang kaum bekannt, was mit dem generell unbefriedigenden Publikationstand von Kleinfunden im südlichen Mittelmeerraum zusammenhängt. Im Rahmen einer Habilitationsschrift an der Universität München ist nun erstmals das einschlägige Fundmaterial zusammengestellt und ausgewertet worden. Im Mittelpunkt steht der Sammlungsbestand des Archäologischen Nationalmuseums von Karthago, der um Funde aus verschiedenen Museen des östlichen Algerien und westlichen Libyen (u. a. Djemila, Timgad und Sabratha) ergänzt werden konnte. Der erste des auf zwei Bände angelegten Werkes beinhaltet die Funde der spätesten römischen Kaiserzeit und der vandalischen Zeit (um 400 bis mittleres 6. Jahrhundert n. Chr.). Nur zum kleineren Teil handelt es sich bei den rund 190 Objekten um geschlossene Grab- oder stratitifizierte Siedlungsfunde. Die Mehrheit bilden Altfunde, die zumeist ohne bekannten Kontext geborgen wurden, aber wegen ihrer formenkundlichen Vielfalt und ihrer Anzahl von großer Bedeutung sind. Neben einer ausführlichen formenkundlich-chronologischen Analyse, die den regionalen und überregionalen Zusammenhang des Fundmaterials aufzeigt, nimmt die weitere Auswertung Fragen zum Trägerkreis und seiner kulturellen und ethnischen Zuordnung in den Blick. So wird untersucht, inwieweit sich im Kleidungszubehör die tiefgreifenden Veränderungen widerspiegeln, die Nordafrika mit dem Ende der weströmischen Herrschaft und der Errichtung des vandalisch-alanischen regnum erlebte. Expliziert wird dabei auf die seit einigen Jahren geführte Kontroverse eingegangen, ob eine Reihe von Grabfunden primär als vandalisch oder aber als Mode der spätrömischen Militäraristokratie gelten müssen. Abschließend werden die siedlungsgeschichtlichen Aussagemöglichkeiten des vandalenzeitlichen Kleidungszubehörs behandelt.
„Vorbildlich sind der Materialteil der Arbeit, die typologisch-chronologische Ansprache der Objekte sowie die ausführliche Diskussion von Vergleichsfunden. Es ist offensichtlich, daß Verf. hier aus einer profunden Materialkenntnis zu schöpfen vermochte, und die künftige Forschung wird diesen Teil des Werkes, dessen Ausstattung und Druckqualität zudem hervorragend sind, mit Gewinn konsultieren.“
Von Matthias Jung
In: Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte Klassische Altertumswissenschaft, Band 87, Heft 4, 2015, S.348-353.
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„Die Kontroverse, die hier behandelt wird, konnte an dieser Stelle nur punktuell bewertet werden. Als wichtiger Ertrag dieses ersten Teils von Ch. Egers Habilitationsschrift bleiben neben der aufwendigen und gründlichen Erschließung des Materials dessen profunde antiquarische Einordnung sowie der Versuch einer sozialen und ethnischen Deutung, die nach Meinung des Rez. besonders am kontextualisierten vandalenzeitlichen Fundmaterial gelingt. Insofern stellt die Arbeit eine überaus wichtige Grundlage für jede weitere Beschäftigung
mit vergleichbarem Material und vor allem künftigen Neufunden dar. Dieser Eindruck wird sich nach Vorliegen des zweiten Teils der Arbeit erwartungsgemäß verstärken, denn auch die Behandlung des byzantinischen Fundmaterials aus dem Reichsgebiet stellt ein dringendes Desiderat der Forschung dar. Man darf überdies gespannt sein, wie seitens der historischen Forchung auf die Arbeit reagiert wird (...).“
Von Dr. Thomas Otten
In: Göttinger Forum für Altertumswissenschaften 18 (2015), 1065-1074.
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„E(ger) wertet die bisher bekannt gewordenen Funde aus der Zeit zwischen ca. 400 und 550 in vollem Umfang aus und kündigt die Bearbeitung und Auswertung der Funde und Befunde der anschließenden Epoche zwischen ca. 550 und 700 für einen zweiten Band an. Das in Band I ausgewertete Fundmaterial besteht überwiegend aus dem Kleidungszubehör eines bestimmten Trägerkreises, den man vielleicht etwas allgemein und unscharf als den überwiegend männlichen Teil der Oberschicht jener Region bezeichnen kann. (...) Aus den Schriftquellen ergibt sich für die Vandalenzeit in Nordafrika durchaus ein deutlich zur Schau getragenes ethnisches Bewußtsein, wie es sich zumal in der von der politischen Führung bewußt herbeigeführten und aufrecht erhaltenen religiösen Separierung des vandalischen Bevölkerungselements von der katholischen Mehrheitsbevölkerung in Nordafrika abzeichnete. (...) Geschlossene Ansiedlung der vandalischen Krieger, Pflege und Gebrauch ihrer aus der Donauregion mitgebrachten Sprache und spezifische Elemente der Kleidung (und den Accessoires) sollten sich auch in den Funden und Befunden niedergeschlagen haben, so würde man landläufig annehmen. Die Ansiedlungsplätze der Vandalen auf dem Lande sind aber bisher nicht nachgewiesen worden, und von ihrer Sprache sind nur ganz wenige Zeugnisse auf uns gekommen. (...) E. setzt sich deshalb mit dem Konstrukt militärische Elite versus zivile Elite, wie es von Rummel konzipiert hat, auseinander und kann aufzeigen, dass die Konfliktlinien keineswegs auf militärische und zivile Eliten beschränkt waren, sondern sich vielfach durchkreuzten. (...) Diese stellt auch deshalb einen, großen Wurf dar, weil sie in umfassender Weise das gesamte für die Fragestellung einschlägige Material sammelt und komplett vorlegt. Die Fortsetzung jeglicher weiterer Forschung erleichtert zudem die subtile Erörterung aller Funde aus der Zeit um 400 bis zur Mitte des 6. Jh.s ungemein (97–252); allein schon deshalb muß man E. dankbar sein, unabhängig davon, ob man seiner Interpretation einer ethnischen Deutung des Materials (...) uneingeschränkt folgt oder dem vermeintlich moderneren Ansatz der "Freiburger Schule" zu folgen geneigt ist..“
Von Helmut Castritius
In: Klio Heft 69,2014, S. 351-355.
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„Fibeln und Gürtelschnallen, Gewand- und Haarnadeln lassen viele Rückschlüsse auf den Träger zu. Aus Metall gefertigt, überstehen sie die Jahrhunderte. Der Autor hat in seiner Habilitationsschrift an der Ludwig-Maximilians-Universität München funktionalen Schmuck aus dem aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert untersucht, der von Römern, Vandalen oder frühen Christen getragen wurde. Die byzantinischen Stücke sollen schwerpunktmäßig erst im zweiten Band vorgestellt werden. Die Gegenstände stammen hauptsächlich aus Grabfunden in Algerien, Tunesien und Libyen. Als nebensächlich abgetan, wurden ihre Fundorte meist nicht katalogisiert. Etwa die Hälfte der hier untersuchten Funde stammt aus dem Sammlungsbestand von Karthago. Die Abbildungstafeln am Schluss des Buches zeigen die Vielfalt und die oft kunstvolle Gestaltung der Gegenstände, zum Beispiel Zwiebelkopffibeln, Blechscheibenfibeln mit Heiligendarstellung, Polyederkopfnadeln oder Tierkopfschnallen.“
In: Medienspiegel der Deutsch-Maghrebinischen Gesellschaft. März 2013.
Christoph Eger studierte von 1987 bis 1997 Vor- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Alte Geschichte in Bonn, Mainz und München und schloss sein Studium mit einer Dissertation über die jüngere vorrömische Eisen- und römische Kaiserzeit in Norddeutschland ab. Nach einem Museumsvolontariat und dem vom Deutschen Archäologischen Institut verliehenen Reisestipendium arbeitete er von 2001 bis 2006 als wissenschaftlicher Referent an der Abteilung Madrid des Deutschen Archäologischen Instituts. 2009 habilitierte er sich mit einer Arbeit über spätantikes Kleidungszubehör aus Nordafrika an der Universität München, wo er seit 2010 als Privatdozent tätig ist. Zur Zeit forscht er an der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts über spätantiken Grabbrauch im Nahen Osten.