Die Untersuchung rückt den Römer Senat einer „langen Kaiserzeit“ ins Zentrum der Betrachtungen. Ausgangspunkt ist die kontinuierliche Besetzung vom 1. bis ins 6. Jh. der Curia Iulia/Diocletiana, eines Zentralortes der römischen Myth-Historie. Bildlich-archäologische, epigraphische, numismatische und literarische Befunde zeugen von den komplexen Rollenspielen und Kompetenzverschränkungen, welche das Verhältnis zwischen SPQR und Caesares Augusti Imperatores epochenübergreifend bestimmen. Situativ angepasste, aufkumulierte Vorbilder der Vergangenheit ermöglichen sowohl Wandelbarkeit wie Perpetuierung. Der Senat von Rom und die Kaiser bedingen sich gegenseitig in einer singulären, bipolaren Autoritätsstruktur, die für das römische Staatsverständnis essenziell ist.
In den traditionellen Altertumswissenschaften spielt der Senat von Rom eine Hauptrolle bei Aufbau und Expansion der römischen Republik; seit Octavian/Augustus prägen die Kaiser mit ihrem Genie oder Wahnsinn die Politik und setzen 250 Jahre lang die Maßstäbe für Bauwerke, Kunst, Zeremoniell und Repräsentation, während der Senat mehr oder weniger als Echoraum ihrer Machtentfaltung fungiert; im sogenannten Dominat ab 300 n. Chr. gilt er vollends als antiquarisches Relikt im dekapitalisierten Rom. Tatsächlich haben von der augusteischen res publica restituta an rund 600 Jahre lang die reichsten, gebildetsten, ambitioniertesten Exponenten der römischen Oberschicht, die Senatoren, regelmäßig in der Curia Iulia/Diocletiana getagt, damit einen Zentralort der römischen Myth-Historie kontinuierlich besetzt und über Generationen hinweg enorme Ressourcen und Prestige in diese Tätigkeit investiert. Die Arbeit postuliert einen Perspektivwechsel, indem sie a) den Römer Senat einer „langen Kaiserzeit“ ins Zentrum der Betrachtungen rückt, in seinem Selbstverständnis und in seinen variierenden Beziehungen zu den Herrschern; b) anhand bildlich-archäologischer, epigraphischer, numismatischer und literarischer Befunde jene mentalen und materiellen Faktoren herausarbeitet, welche die Spielregeln für die Koexistenz der beiden Akteure charakterisieren; c) die keineswegs lineare Evolution des Verhältnisses zwischen SPQR (Senatus populusque Romanus) und den Caesares Augusti Imperatores bis über das Ende des weströmischen Kaisertums hinaus verfolgt. Es zeigen sich multiple Interaktionen und Verschränkungen von Kompetenzen und Rollenspielen, sowohl für den Senat als auch für die Kaiser, wobei Rückgriffe, Spoliierungen oder Umdeutungen aufkumulierter historischer Vorbilder maßgebend sind. Der Senat von Rom und seine Kaiser bilden als bipolare Autoritätsstruktur die conditio sine qua non für die Persistenz des römischen Staatswesens und müssen daher als zusammengehörige, sich bedingende Teile eines Staatskonstrukts sui generis betrachtet werden.
Ilse Rollé Ditzler, geboren 1953 in Zürich, absolvierte 1978 ein Studium der Volks- und Betriebswirtschaft an der Universität Basel, gefolgt von zwei Jahrzehnten beruflicher Tätigkeit in Leitungsfunktionen eines Großunternehmens. Der familiäre Ortswechsel nach München eröffnete die Chance, 2004 bis 2008 Klassische Archäologie, Alte Geschichte, Spätantike und Byzantinische Kunstgeschichte an der LMU München zu studieren. Mit Blick auf die 2017 erfolgte Promotion fokussierte sich die Autorin auf den Bereich Spätantike, übernahm Lektorate an der LMU, organisierte fachspezifische Studienreisen und Vortragsreihen und entwickelte das Konzept für ein Neues Römermuseum im Rahmen des Stiftungsrates Pro Augusta Raurica. Gegenwärtig amtet sie als Vorsteherin der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft zu Basel. Ihre Forschungs- und Aktivitätsschwerpunkte gelten den intertemporalen und interregionalen Tradierungen und Transformationen ästhetischer, sozialer und institutioneller Kulturelemente zwischen Antike, Mittelalter und Neuzeit sowie Fragen der musealen und medialen Vermittlung historisch ferner Phänomene.
Diese Schriftenreihe widmet sich speziell den Forschungen zur Christlichen Archäologie und Kunstgeschichte in spätantiker und frühchristlicher Zeit. Sie umfasst die gesamte Epoche der Spätantike bis zum frühen Mittelalter, im Bereich des byzantinischen Reiches auch darüber hinaus.
Die Reihe ist überkonfessionell und ohne Bindung an bestehende Institutionen, arbeitet jedoch mit der „Arbeitsgemeinschaft Christliche Archäologie zur Erforschung spätantiker, frühmittelalterlicher und byzantinischer Kultur“ zusammen. Sie konzentriert sich vor allem auf die Kunstdenkmäler und versteht sich daher nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu schon bestehenden Reihen, die in der Regel nicht nur die materielle Hinterlassenschaft der alten Kirche, sondern stets auch literarische, theologische und philologische Themen behandeln.
Einer klareren Zuordnung und einer größeren Bandbreite der verschiedenen Disziplinen wegen wurden zwei Unterreihen eingerichtet:
Die Reihe A „Grundlagen und Monumente“ setzt sich schwerpunktmäßig mit einzelnen Denkmälern bzw. Denkmalgruppen im Sinne einer korpusartigen Erfassung der Denkmäler auseinander.
In der Reihe B „Studien und Perspektiven“ werden einerseits Vorträge der Tagungen der „Arbeitsgemeinschaft Christliche Archäologie“ publiziert, andererseits bietet sie ein Forum für Untersuchungen zu den verschiedensten Fragen aus dem Gebiet der spätantiken/byzantinischen Archäologie und Kunstgeschichte.