Im Zuge der archäologischen Untersuchungen und Beobachtungen, die während der letzten über 200 Jahre in Salzburg durchgeführt wurden, kam eine große Menge italischer Terra Sigillata zutage. Der umfangreiche Fundbestand wird im vorliegenden Band analysiert. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Frage der Entwicklung Salzburgs von augusteischer Zeit bis in das mittlere 1. Jahrhundert n. Chr., als die Siedlung unter Kaiser Claudius zur Stadt (municipium) erhoben wurde. Darüber hinaus werden die Verkehrsverbindungen und Belieferungsstrukturen untersucht, über die diese Keramik von Italien über die Alpen an die Salzach gelangte.
Aufgrund ihrer weiträumigen Verhandlung und ihrer feinchronologischen Relevanz stellt die in großen Mengen in Ober-, Mittel- und Süditalien sowie Südfrankreich hergestellte italische Terra Sigillata eine der wichtigsten Quellengattungen der frühen Kaiserzeit dar. Dabei kommt ihr insbesondere in siedlungs- und handelsgeschichtlicher Hinsicht eine entscheidende Rolle zu.
Aus Österreich, aber auch aus den angrenzenden Gebieten, wurde bislang nur aus der Stadt auf dem Magdalensberg (Kärnten) eine große Menge dieser Feinkeramik publiziert. Mit mehr als 1500 Fragmenten, von denen über 1000 auch typologisch klassifizierbar waren, kann nun auch aus Salzburg/Iuvavum eine mehr als repräsentative Zahl italischer Terra Sigillata vorgelegt werden. Diese fanden sich im Zuge der langjährigen Ausgrabungen in der Stadt, insbesondere während archäologischer Untersuchungen der letzten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
Iuvavum wurde zu etwa gleich großen Teilen mit italischer Terra Sigillata aus Werkstätten in Mittel- und Oberitalien beliefert, wie makroskopische Untersuchungen und chemische Analysen (durch G. Schneider und M. Daszkiewicz), aber auch über 160 Töpferstempel zeigen. Die frühesten Gefäße stellen Teller und Schalen dar, die in das letzte Jahrzehnt v. Chr. und das erste Jahrzehnt n. Chr. datieren; es überwiegen jedoch Formen des 1. Jahrhunderts n. Chr., von denen über 500 Fragmente mit Appliken verziert sind.
Die antiquarische Analyse der italischen Terra Sigillata aus Iuvavum und der Vergleich des Salzburger Spektrums mit jenen anderer Fundorte in Raetien und Noricum erlaubt weitergehende Untersuchungen zur Siedlungs- und Handelsgeschichte der Stadt an der Salzach in der frühen Kaiserzeit: Die frühesten Gefäße belegen eine in mittelaugusteischer Zeit gegründete, kleinere Siedlung, die vornehmlich mit Produkten aus Oberitalien versorgt wurde. Bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., als die Stadt unter Kaiser Claudius den Rang eines municipium erhielt, breitete sie sich über das gesamte spätere Stadtgebiet aus, wobei die Terra Sigillata nun mehrheitlich aus Mittelitalien stammte. Diese Veränderung in der Herkunft der italischen Terra Sigillata aus Salzburg ist wohl mit einem Wandel der Belieferungsstrukturen und anderen Transportwegen zu verbinden. Dabei spielten insbesondere die Nord-Süd-Routen über die Tauernpässe eine wichtige Rolle. Die Verbindung nach Westen in Richtung Augsburg hatte – zumindest in der Frühzeit – offenbar keine größere Bedeutung für die Versorgung Salzburgs mit Terra Sigillata.
„Sebastian Schmid und Markus Gschwind haben mit ihrer Publikation der italischen Terra Sigillata einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Siedlungsentwicklung in Salzburg geleistet. (...) [Sie] ist eine gelungene Materialvorlage der italischen Terra Sigillata aus Salzburg, die Fragen zur chronologischen Entwicklung der Siedlung beantwortet und zu den Verkehrs- und Handelsbeziehungen anreißt. Kleinere Schwächen in den Auswertungskapiteln, wie die fehlende Gliederung bei den Appliken oder Verweise auf die Katalognummern sind wohl dem Zeitdruck geschuldet, unter dem besonders Schmid das
Material abschließend bearbeitet und die Texte fertiggestellt hat. Es ist sehr erfreulich, dass das Material am Ende doch noch vorgelegt werden konnte und auch die umfangreichen Vorarbeiten (Katalog und Tafeln) von Gschwind ebenfalls zur Geltung kommen.“
Von Dr. Rebecca Diana Klug
In: Göttinger Forum für Altertumswissenschaften Bd. 25, Nr. 1, S. 1001-1006,
https://doi.org/10.14628/gfa.2022.1.90463
Sebastian Schmid (*1982) studierte Provinzialrömische Archäologie, Alte Geschichte und Spätantike und Byzantinische Kunstgeschichte in München, Bern und Aix-en-Provence. Nach seiner Magisterarbeit zu den römischen Fibeln aus Wien (Österreich) (2009, Publikation 2010) und seiner Dissertation zum römischen Kastell Arelape/Pöchlarn (Österreich) (2017, Publikation 2020) untersuchte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des „Limes Tripolitanus“-Projekts der Provinzialrömischen Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München die Heiligtümer von Gheriat el-Garbia (Libyen). Zurzeit ist er Forschungsstipendiat der Gerda Henkel Stiftung und bearbeitet spätantike Keramik aus Karthago (Tunesien). Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Untersuchung der materiellen Kultur der römischen Kaiserzeit im Donauraum und in Nordafrika und militärischer Befestigungen derselben Räume.
Markus Gschwind (*1968) hat Provinzialrömische Archäologie, Alte Geschichte und Vor- und Frühgeschichte in München und Newcastle-upon-Tyne studiert. 1999 wurde er an der LMU München mit einer Arbeit über das römische Auxiliarkastell Abusina/Eining (1.–5. Jh. n. Chr.) promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Militärorganisation und die Wirtschaftsgeschichte des Römischen Reiches. Von 2001 bis 2007 arbeitete er als Referent an der Außenstelle Damaskus (Syrien) des Deutschen Archäologischen Instituts; hier führte er Feldforschungsprojekte zum severischen Kastell Qreiye/cAyyash am Euphrat und dem römischen Legionslager Raphaneae in Westsyrien durch. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wirkte er an verschiedenen Forschungsprojekten mit. Seit 2016 ist er am Bayer. Landesamt für Denkmalpflege als Koordinator Archäologische Welterbestätten tätig und betreut die bayerischen Anteile der „Grenzen des Römischen Reiches“, der „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ und der Welterbenominierung Donaulimes.