Bei diesem Werk aus dem Nachlass des bedeutenden Kölner Sprachwissenschaftlers Jürgen Untermann handelt es sich um die lexikalische Aufarbeitung aller vorrömischen Orts-, Gewässer- und Landschaftsnamen des antiken Hispanien. An diesem „Namenbuch“, in dem erstmalig alle einschlägigen Quellen gesammelt und sprachwissenschaftlich interpretiert werden, wird kein gegenwärtiger und zukünftiger Alt-Hispanist vorbeigehen können.
Seit den 1960er Jahren hatte sich der Kölner Ordinarius für Historische Vergleichende Indogermanistik zur Aufgabe gemacht, die Zeugnisse antiker „einheimischer“ Sprachen auf der Iberischen Halbinsel zu sammeln und geschlossen zu edieren. Gemeint sind damit iberische/“tartessische“ und keltische/lusitanische Sprachreste auf der Halbinsel, die auf Münzen, sonstigen Metallen und mobilen Steinen sowie Felsen erhalten sind. Untermann trennte davon das Lateinische, Griechische und Phönikisch/punische als jüngere Kolonialsprachen, wohl wissend, dass sowohl das sogenannte Keltiberische, das Lusitanische eingeschlossen, als auch das Iberische zu einem früheren Zeitpunkt auf die Halbinsel gekommen waren. Im Unterschied zu den relativ leicht bestimmbaren Importzeiten der „Kolonialsprachen“ liegen die Ursprünge des Iberischen und des Hispano- Keltischen, d.h. der Zeitraum ihres Vordringens auf die Halbinsel, immer noch weitgehend im Dunklen. Die Aufgabe war gigantisch, vergleichbar nur mit den großen corpora Emil Hübners ( CIL II und Iberische Inschriften) aus dem 19. Jahrhundert. Nach langer Vorbereitung erschien 1975 der erste Band der von Untermann so bezeichneten Monumenta Linguarum Hispanicarum, die „Münzlegenden“. 1980 folgten die „Inschriften in iberischer Schrift aus Südfrankreich“. Zehn Jahre später, im Jahre 1990, erschien Band III, die iberischen Inschriften aus Spanien, 1997 der vierte Band mit den „tartessischen, keltiberischen und lusitanischen Inschriften. Band V delegierte der Gelehrte, damals bereits krank, an seine Schüler Dagmar S. Wodtko („Wörterbuch der keltiberischen Inschriften“, 2000) und Javier Velaza („Lexikon der iberischen Inschriften“, 2018).
Den Abschluss der Gesamtedition sollte nach Untermanns Konzept das „Namenbuch“ bilden, die lexikalische Auflistung der „vorrömischen Toponymie des antiken Hispanien“, ein Werk, an dem Untermann während der über fünfzig Jahre der Herausgabe der „Monumenta“ parallel gearbeitet hatte. Dabei handelt es sich um eine für Sprachwissenschaftler, aber auch für Archäologen, Historiker und Geographen unverzichtbare, nach den Quellen gearbeitete vollzählige Auflistung aller antiken hispanischen Toponyme, die in welchen Zusammenhängen auch immer bekannt geworden sind, einschließlich ihrer modernen Fortsetzungen sowie ihres ethnisch-kulturellen Kontexts. Jürgen Untermann hat diesen Band, an dem er bis zu seinem Tod gearbeitet hat, bis auf wenige notwendig gewordene Ergänzungen und sparsame redaktionelle Eingriffe selbst fertiggestellt. Herausgegeben wird das Werk von drei namhaften Alt-Hispanisten, Javier de Hoz (Madrid), Joaquin Gorrochategui (Vitoria) und Michael Koch (Stolberg bei Aachen), alle drei Freunde und Kollegen Untermanns und über Jahrzehnte mit seinem Werk vertraut. Bei MLH VI handelt es sich um das große Vermächtnis eines bedeutenden Gelehrten und ein notwendiges Arbeitsmittel für alle zukünftige Hispanien-Forschung.
„In Palaeohispanic studies, the discipline that studies the fragmentary remains of the pre-Roman vernacular languages of the Iberian Peninsula, the late Professor Jürgen Untermann (U.) held and, after his death in 2013, still holds a pre-eminent place. In the last half century, he was the leading figure in the discipline, both as regards the number of publications from his own hand, and as regards the work of others that he inspired directly as teacher and mentor, or indirectly. Among his countless achievements is the foundation of the series Monumenta Linguarum Hispanicarum (MLH)
for editions and lexicons of what remains of these languages. The Monumenta, to the greatest part written by himself, were milestones for the research into the various pre-Roman languages because they established a firm and easily accessible corpus of the surviving texts. (...) this new volume gives a powerful sign of life of the series and the foreword of the present book informs us that another one, a lexicon of the Iberian inscriptions, is currently in the making.“
Von David Stifter
In: Beiträge zur Namensforschung 54.2 (2019), S. 223-227
Dr. Michael Koch, 1940 in Düsseldorf geboren, ist ein in Tübingen promovierter Althistoriker mit Schwerpunkt Alt-Hispanistik. Nach Jahren der Lehrtätigkeit an der Universität Konstanz (1971 – 1981) ist Koch heute als freier wissenschaftlicher Autor in Madrid und Stolberg bei Aachen tätig. Seine Veröffentlichungen umfassen neben Arbeiten zur phönikischen Westkolonisation Arbeiten zur hispanischen Vorgeschichte und Römerzeit, zuletzt „Hispanien. Vom Tartessosmythos zum Arabersturm“ (Mainz 2014) und epigraphische Einzelstudien wie „Die epigraphische Hinterlassenschaft des hispano-keltischen Heiligtums auf dem Monte do Facho, Cangas (Galicien), (Berlin 2018).