In Ergänzung (und im Gegensatz) zu den Klangliegen-Forschungen, die bislang vor allem Teilaspekte der monochromen Klangwirkung im Blick hatten, wird in diesem Buch die Klangarbeit im prozeduralen Verlauf dargestellt und analysiert. Im psychodynamischen Gesamtgeschehen einiger Therapien wird gezeigt, welche Wirkfaktoren der Klangliege und die sich daraus ergebenden physischen und psychischen Parameter den Entwicklungsprozess der KlientInnen besonders stark beeinflussen. Es wird ein multimodaler Ansatz im ambulanten Setting beschrieben, der auch für Menschen, die als austherapiert gelten, geeignet ist.
Seit knapp zehn Jahren widmet Christiane Trost in der musiktherapeutischen Einzelarbeit ihre Aufmerksamkeit der Klangliege. Diverse Krankheitsbilder konnten so unter Zuhilfenahme der Klangbehandlung in den Fokus genommen werden. Dazu gehören: Angstbewältigung, Rheuma, Epilepsie, Schlafstörung, gastrointestinale somatoforme Störung, rezidivierende depressive Episode, Schmerzstörung, postoperative Nervenverletzung, Trauerarbeit, soziale Phobie, Anorexia nervosa, Tinnitus, Regulation des Knochen- und Blutsystems bei Osteoporose mit pathologischen Blutwerten unklarer Genese (Leukozytopenie, Thrombozytopenie).
Klanginstrumente mit gleich gestimmten Saiten sind in zahlreichen therapeutischen Arbeitsfeldern fest etabliert und standen bereits mehrfach im Zentrum klinischer Studien.
Im Gegensatz zu diesen evidenzbasierten Forschungen mit großer Population, die physiologische oder psychologische Teilaspekte mit häufig nur einer Klangsitzung untersuchten, schildert die Autorin das psychodynamische Gesamtgeschehen innerhalb mehrerer Kurzzeittherapien.
Anhand ausgewählter Therapieverläufe wird die Klangliege als ein hochwirksames Werkzeug im psychotherapeutischen Kontext gezeigt (das Gehaltensein im „mütterlichen Klangraum“). Besonders eindrücklich sind die Falldarstellungen der als austherapiert geltenden oder der sich in medizinischen Grenzbereichen befindlichen Menschen. Im multimodalen Setting wird das klanggeführte Durchleben von Emotionen über das Zusammenspiel von Körperarbeit und Ausdrucksmalen in ein kognitives Begreifen geführt. Seelische Befindlichkeit und Selbstwahrnehmung, Körpergrundgefühl und Gesundheit werden hierbei immer als Einheit verstanden und beschrieben.
Umfassend wird erklärt, wie das Instrument physische und psychische Parameter des Klangerlebenden beeinflusst und wie diese Wirkung bei unterschiedlichen Krankheitsbildern in der therapeutischen Arbeit genutzt werden kann. Trost zeigt überzeugend, dass in einer Zeit der Reizüberflutung des alltäglichen Lebens in visueller, akustischer, sensorischer, mobiler und stark emotionaler Art der rezeptiven therapeutischen Arbeit mit der Klangliege eine besondere Rolle zukommt. Diese führt sie zurück, u.a. auf die intensiven Schwingungen, die eine Relaxation des gesamten Körpergewebes bewirken, gleichzeitig das Körpergedächtnis anregen, um mit einhergehenden Tranceerfahrungen verschüttete Bereiche außerhalb des Alltagserlebens zu öffnen.
Wichtige therapeutische Ergebnisse wie Entwicklung von Vertrauen, Veränderung des Selbstbildes und Beziehungsfähigkeit werden im Kontext der Klangliegenwirkung erläutert. Die Therapeutin beschreibt, wie Menschen nach langer Zeit das erste Mal wieder das Gefühl von Leichtigkeit, Loslassen und „ozeanischer“ Entgrenzung erfahren.
„Wer nach einem flüchtigen Blick über Titel und Vorwort des 2021 im Reichert Verlag erschienenen Werks mit einem blumigen Werbetext aus der Wellnessbranche rechnet, wird beim Lesen dieses akribisch ausgearbeiteten Buchs bald eines Besseren belehrt. Auf den 116 sauber recherchierten Seiten erwartet die Lesenden ein Feuerwerk an Informationen zum multimodalen Ansatz von Christiane Trost, in dem sie aus ihrer langjährigen Arbeit mit der manuell gespielten Klangliege berichtet. (...) Präzise skizziert Trost die theoretische Rahmung anhand Grundlagenforschung, Erkenntnissen aus Hirnforschung, Klangwirkungsforschung monochromer Klänge und spannt den Reigen von Symboldeutung über Atemtherapie hin zu musiktherapeutischen Methoden. (...) Durch die umfangreichen Literaturangaben stellt das Werk einen Stein-bruch für diejenigen dar, die sich vertiefen oder eigene klangbasierte Arbeit in Fachkreisen legitimieren wollen. Es schafft einen sehr guten Überblick über bisherige Entwicklungsarbeiten. So kann ich die einleitenden Worte von Muthesius (S.11), diese Arbeit als beeindruckend zu bezeichnen nur unterstreichen und das Buch allen interessierten Laien oder mit vibroakustischen Methoden arbeitenden Therapeut.innen wärmstens empfehlen!
Von Dorothee Anders
In: Musiktherapeutische Umschau, Heft 4/2021, Rezensionen, S. 432
Christiane Trost *1970 befasste sich in ihren Studiengängen (Lehramt, Magistra Artium, Kirchenmusik) an mehreren norddeutschen Universitäten intensiv mit Musik und Musikwissenschaft, Philosophie, Theologie, Pädagogik, Literatur- und Sprachwissenschaft. Der Yogalehrerausbildung folgten Weiterbildungen in Rhythmik sowie Elementarer Bewegungs- und Tanzpädagogik/ Salzburg, die Musik- und Psychotherapieweiterbildungen (HP/Psychotherapie/ Hamburg, Bachelor Psychologie/ Hagen, Guided Imagery and Music/ Berlin, Frohne-Hagemann, Trance- und Körpertherapie/ Würzburg, Strobel) wurden mit dem Master Musiktherapie/ Berlin UdK abgerundet. Seit 2000 freiberuflich arbeitet Christiane Trost in diversen Einrichtungen und in eigener Praxis als Dozentin und Lehrerin verschiedener Fachbereiche, als Musikerin und Musik-/Psychotherapeutin.