In dem 280 km südlich von Tripolis gelegenen Kastell fanden 2009/10 vier Kampagnen statt. Im Mittelpunkt des interdisziplinären Projekts, gefördert von LMUexcellent, stand das oberhalb einer Oase für eine Legionsvexillation um 200 n. Chr. erbaute Kastell mit exzeptionell gut erhaltenen Wehranlagen. Die Besatzung nahm Kontroll- und Beobachtungsaufgaben wahr und sorgte für Sicherheit an der Karavanenroute in den Fezzan. Dargestellt wird die Forschungsgeschichte zum limes Tripolitanus von 1819-1996, die Vermessung von Gheriat el-Garbia und seines Umfelds mit Hilfe von Radardaten (TerraSAR-X) und die römische Vermessung des Kastells. Die Architekturglieder geben Aufschluss über die anspruchsvolle architektonische Ausstattung des severischen Kastells. Der Keramik-Survey, die Fundmünzen und die 14C-Daten liefern Aussagen zur Geschichte des Kastells und seiner Besatzung nicht nur im 3. Jh., sondern auch in der Spätantike.
Das römische Kastell Gheriat el-Garbia liegt 280 km südlich von Tripolis in der steppenartigen Halbwüste, oberhalb einer Oase, an der zentralen Route ins Land der Garamanten. Es ist – neben Bu Njem und Ghadames – das größte der drei unter Kaiser Septimius Severus weit nach Süden vorgeschobenen neuen Vexillationskastelle des limes Tripolitanus. Spätestens im Herbst 201 n. Chr. wurde es von einer Abteilung der legio III Augusta aus Lambaesis fertig gestellt. Seit den englischen Surveys (1953, 1981) bietet das Kastell mit dem spektakulär gut erhaltenen Haupttor eine valide Grundlage für architektonische Rekonstruktionen von Kastellen des 3. Jahrhunderts.
Im Rahmen des interdisziplinär ausgerichteten Projekts der Provinzialrömischen Archäologie an der Universität München, gefördert von der Exzellenzinitiative, wurden 2009 und 2010 je zwei Kampagnen durchgeführt. Im Mittelpunkt standen Surveys und Ausgrabungen im von einem Berberdorf überbauten Kastell (Tore, Stabsgebäude, Mannschaftsunterkünfte) und in einem der Heiligtümer. Neben naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden (Geodäsie, Geophysik, Archäometrie, 14C-Analysen) kam terrestrisches 3D-Laserscanning zum Einsatz. Überraschend war neben der bis 275/280 erfolgten Nutzung des Kastells mit dem inschriftlich überlieferten Ortsnamen Myd(---) eine spätantike Instandsetzung: Ab 390/400 wurde bis Mitte des 5. Jahrhunderts in den castra Madensia der Notitia Dignitatum Occ. XXXI 30 eine limitane Einheit, die milites munifices, stationiert.
Im ersten Band werden die Forschungsgeschichte in der tripolitanischen Grenzzone im nordwestlichen Libyen und in Südtunesien von 1819 bis 1996 sowie die Lage und Topographie von Gheriat el-Garbia dargestellt. Es folgen Beiträge zur geodätischen Erfassung der Topographie des Kastell- und des Tempelplateaus unter Verwendung von Radardaten des deutschen Erdbeobachtungssatelliten TerraSar-X. Im Mittelpunkt stehen die archäologischen Surveys: Zahlreiche Architekturglieder aus dem Kastellareal ergeben sieben Säulenordnungen, die auf eine anspruchsvolle architektonische Ausstattung der zentralen Gebäude des Kastells schließen lassen. Das umfangreiche Material des Keramik-Surveys liefert wichtige Daten zur Versorgung der Garnison mit Fein- und Kochkeramik sowie mit in Amphoren transportiertem Wein, Olivenöl und Fischkonserven. Zudem werden Metallkleinfunde, Münzen und Radiokarbonanalysen vorgelegt; letztere bilden die Basis für die Datierung der Instandsetzungen des Kastells zwischen 390 und 425.
Michael Mackensen (*1949) studierte von 1969 bis 1977 Provinzialrömische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte und Alte Geschichte in München, Freiburg und Oxford. Nach Magister (1974), Promotion (1977), Reise- und Forschungsstipendien des Deutschen Archäologischen Instituts (1977/80) sowie Mitarbeit bei den DAI-Grabungen Karthago (Tunesien) und Resafa (Syrien) war er von 1982–1994 wiss. Mitarbeiter an der Bayer. Akademie der Wissenschaften mit Ausgrabungsprojekten in Bayern (u. a. Nersingen, Kellmünz) und einem Survey-Projekt in El Mahrine (Tunesien). Nach der Habilitation (1991/92) wurde er 1994 auf die C3-Professur für Provinzialrömische Archäologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München berufen und leitete Ausgrabungsprojekte in Tunesien (1998/99 Chemtou), Ägypten (2001/02 Deir el-Bachit; 2005–2017 Nag al-Hagar) und Libyen (2009/10 Gheriat el-Garbia, LMUexcellent-Projekt am limes Tripolitanus). 1989 erhielt er den Kurt-Bittel-Preis für Süddeutsche Altertumskunde, 2010 den Preis für gute Lehre des Freistaats Bayern und 2013 den LMU Lehrinnovationspreis. Ende März 2015 wurde er pensioniert. Seit 2009 ist er Herausgeber der Münchner Beiträge zur Provinzialrömischen Archäologie.