Brückenschläge ist die erste detaillierte und systematische Zusammenschau zweier moderner vorderorientalischer Literaturen. Durch ihr komparatistisches Verfahren überwindet sie, am Beispiel des Genres Roman, das Konzept einer arabischen bzw. türkischen ‘Nationalliteratur’ und entwirft ein übergreifendes Modell zur Beschreibung und Periodisierung literarhistorischer Prozesse in den modernen nahöstlichen Literaturen. Ein Vergleich der literarischen und außerliterarischen Kontexte, in denen die Einzelliteraturen jeweils produziert werden, zeigt die Bedingungen auf, die trotz fehlenden Austauschs eine ähnliche Entwicklung der beiden Literaturen begünstigten.
Brückenschläge leistet am Beispiel des arabischen und türkischen Romans die erste detaillierte und systematische Zusammenschau zweier moderner vorderorientalischer Literaturen. Mit ihrem komparatistischen Ansatz stellt die Studie das Konzept einer arabischen bzw. türkischen ‘Nationalliteratur’ in Frage und postuliert, exemplarisch anhand des romanesken Genres, die Möglichkeit einer gemeinsamen Betrachtung als ‘arabotürkischer’ (oder ‘turkoarabischer’) Einheit und damit die Möglichkeit einer übergreifenden Periodisierung moderner nahöstlicher Literaturen. Breit angelegte Gegenüberstellungen arabischer und türkischer repräsentativer Einzelwerke aus verschiedenen Epochen (Mitte 19. Jh., Erster Weltkrieg, 1930er Jahre) zeigen in Teil 1 (Fallstudien) die vielfältigen Berührungspunkte in Inhalt, Form und Funktion am Beispiel dreier arabisch-türkischer Roman-Paare. Teil 2 weitet den Blick und demonstriert durch den Vergleich der arabischen und türkischen Romangeschichten als ganzer, dass die Parallelität ‘System hat’. Eine gemeinsame, ‘turkoarabische’ Romangeschichte wird entworfen, aus deren Perspektive die ‘nationalen’ Entwicklungen als Besonderungen eines Allgemeinen erscheinen. Teil 3 führt die beobachtete syn- und diachrone Parallelität auf die jeweils ähnliche Beschaffenheit des literarischen Feldes und der außerliterarischen Kontexte zurück. Teil 4 steckt den Rahmen für die weitere Forschung ab. Es gilt nun, die Spezifik ‘arabotürkischer’ gegenüber ihnen übergeordneten Phänomenen zu bestimmen. Welche Züge des ‘Arabotürkischen’ sind nur diesem selbst eigen und lassen sich evtl. durch die gemeinsame osmanische Vergangenheit erklären? Welche Merkmale finden sich aber darüberhinaus auch in anderen Literaturen des Vorderen Orients oder der Islamischen Welt, welche Charakteristika teilt das ‘Arabotürkische’ mit anderen ‘marginalen’ oder ‘postkolonialen’ Literaturen, wo hat es sich ‘globale’ ästhetische Normen zueigen gemacht? – Jedem gedanklichen Hauptschritt der Studie sind eingehende theoretische Überlegungen vorangestellt, die die deskriptiven Ansätze und Diskurse der bisherigen Forschung analysieren und die beabsichtigte eigene Vorgehensweise reflektieren.
Stephan Guth
1979-92 Studium der Islamwissenschaft, Neueren Deutschen Literatur und Philosophie an den Universitäten Bonn, Kairo und Tübingen; 1987 M.A., 1992 Promotion, jeweils mit Arbeiten zur zeitgenössischen ägyptischen Literatur
1992-96 Referent am Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Istanbul und Beirut
seit 1996 Lehrtätigkeit am Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie der Universität Bern
2002 Habilitation (in Bern/Schweiz) mit vorliegender Arbeit
Interessen-/Forschungsschwerpunkte: moderne vorderorientalische Literaturen, bes. in vergleichender Perspektive; islamische Kulturen (v.a. Alltagskultur; das Leben, Denken und Fühlen v.a. der ‘kleinen Leute’; Mittelschichtforschung)
Verfasser und Mitherausgeber mehrerer Bücher und Artikel in Fachzeitschriften; gelegentliche journalistische Arbeiten; umfangreiche Vortragstätigkeit
Diese Reihe stellt innovative Arbeiten zu den nahöstlichen Literaturen in ihren verschiedenen Epochen und Gattungen vor. Sie versteht sich nicht ausschließlich als ein Forum für Orientwissenschaftler, sondern möchte auch Komparatisten, Literaturwissenschaftlern und einer interessierten Öffentlichkeit Einblicke in das breite Spektrum gegenwärtig produzierter und rezipierter Literatur des Nahen Ostens bieten.
Denn die Herausgeberinnen, Autorinnen und Autoren wollen den Titel der Reihe programmatisch verstanden wissen. Sie gehen von einem Begriff der Weltliteratur aus, der die orientalischen Literaturen nicht nur statisch einbegreift, sondern sie in ein Kulturregionen und Nationalsprachen übergreifendes Spannungsfeld stellt, dessen Dynamik erst im interdisziplinären Austausch erfasst werden kann. Sie gehen ferner davon aus, dass Literaturen in vielfacher Weise intertextuell geprägt sind, dass sie Lektüren verschiedenster vorausgehender Texte darstellen und daher erst in ihrem „lokalen historischen Kontext“ ihren Reiz als Ausdruck einer regional geprägten Ästhetik entfalten können. Die Reihe versucht so, einer neuen Sensibilität für mythische, archetypische, aber auch historische Subtexte in der nahöstlichen Literatur Bahn zu brechen, sie aber gleichzeitig als wichtigen Ausdruck einer globalen kulturellen Mobilität sichtbar zu machen.