Dieses Buch untersucht die Position der persischen Lyrik des pakistanischen Nationaldichters Muhammad Iqbal zwischen Tradition und Moderne und versucht, die Wirkungsweise dieser Gedichte darzustellen. Es legt auf der Basis von strukturalistischer Textanalyse, Rezeptionsästhetik und Umberto Ecos Semiotik dar, dass die Botschaft der beiden Gedichtbände Botschaft des Ostens und Persischer Psalter sehr eindeutig nationalromantisch (genauer umma-romantisch) ist und die traditionellen Formen nur dazu dienen, diese Botschaft dem indisch-islamischen Leser plausibel zu machen. Mit dieser Poesie hat Iqbal die Muslime Indiens an die Diskurse des Panislamismus und der Selbstbestimmung angeschlossen und sie zur Mitarbeit an der Unabhängigkeit Indiens motiviert.
Die indische Unabhängigkeitsbewegung der 1920er Jahre wäre nicht nur ohne Gandhi womöglich gescheitert, sondern auch ohne Muhammad Iqbāl, dessen Poesie die Muslime Nordindiens zur Mitarbeit bewegte und sie darüber hinaus mit viel modernem Gedankengut bekannt machte. Heute ist Iqbāl Pakistans Nationaldichter, ist auch in Indien sehr beliebt, wird in Tadschikistan geschätzt und steht im neuen Lehrplan der Islamischen Republik Afghanistan als Beispiel für einen modernen Muslim, dessen Gedichte Bildung und Selbstbewusstsein vermitteln. Durch seine wachsende Bedeutung in den persischsprachigen Ländern gewinnt zur Zeit auch seine persische Poesie wieder an Geltung, die er für ein internationales Publikum verfasst hat.
Iqbāl hatte nach einer Ausbildung als Jurist in Lahore 1907 in Oxford, München und Heidelberg Philosophie studiert und wurde dabei tief von den deutschen Idealisten, besonders Fichte, und von Nietzsche, beeinflusst. In seiner Lyrik verstand er es, diese Philosophie in der Form traditioneller persicher Poesie zu präsentieren und so einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dabei sind die Werte des deutschen Idealismus und der mystisch orientierten klassischen persischen Lyrik sehr entgegengesetzt; trotzdem werden seit Iqbāl im persischen und im Urdu-Sprachraum Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein und Bildung als echt islamische Anliegen angesehen. Den wichtigsten Beitrag dazu hat ohne Zweifel Iqbāls Poesie geleistet.
Stephan Popps Arbeit untersucht die Position der persischen Lyrik Iqbāls zwischen Tradition und Moderne und stellt die Rhetorik dieser Gedichte dar. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den beiden Gedichtbänden Payām i Mašriq (Botschaft des Ostens) und Zabūr i ‘Ajam (Persischer Psalter), die Iqbāls Lyrik in persischer Sprache enthalten. Dabei verwendet es modernste Methoden legt seinen Ergebnissen eine gründliche Analyse aller Gedichte der beiden Bände auf der Basis von strukturalistischer Textanalyse, Rezeptionsästhetik, persina criticism und Umberto Ecos Semiotik zugrunde. Dies ermöglicht eine genaue Trennung zwischen dem geschriebenen Text und seinen Wirkungen in den Lesern und somit eine objektivere Betrachtung von Inhalt und Rhetorik der Gedichte, als mit anderen Methoden möglich ist. Auch der gesellschaftliche Kontext der 1920er Jahre wird berücksichtigt. So verdeutlicht diese Arbeit nicht zuletzt, dass sich poststrukturalistische Methoden sehr erfolgreich auf persische Poesie anwenden lassen.
Wie Stephan Popps Arbeit ziegt, liegt die Modernität der Poesie Iqbāls darin, dass ihre Botschaft sehr eindeutig panislamisch-romantisch ist und die traditionellen Formen nur dazu dienen, diese Botschaft dem indisch-islamischen Leser plausibel zu machen. Mit dieser Poesie hat Iqbāl die Muslime Indiens an die Diskurse des Panislamismus und der Selbstbestimmung angeschlossen und sie zur Mitarbeit an der Unabhängigkeit Indiens motiviert.
“In conclusion, (...) this study can be considered as an experimental attempt to let the ‘‘post-romantic’’ Persian writings of Iqbal speak primarily for themselves. The book, in other words, operates first of all as a committed reading-guide for a significant part of the Lahori poet’s literary production, and ideally (if not methodologically) finds its place among a well-established tradition of European studies on Iqbal represented especially by an older generation of orientalists (and ‘‘Iqbal-enthusiasts’’), such as the Italian Alessandro Bausani (strangely enough, not mentioned in the bibliography) and especially the above-mentioned German Annemarie Schimmel.”
Stefano Pello
In: Middle Eastern Literatures. Vol. 15 (2012) No. 1. pp. 93-96.
http://dx.doi.org/10.1080/1475262X.2012.657396(24. April 2013)
Diese Reihe stellt innovative Arbeiten zu den nahöstlichen Literaturen in ihren verschiedenen Epochen und Gattungen vor. Sie versteht sich nicht ausschließlich als ein Forum für Orientwissenschaftler, sondern möchte auch Komparatisten, Literaturwissenschaftlern und einer interessierten Öffentlichkeit Einblicke in das breite Spektrum gegenwärtig produzierter und rezipierter Literatur des Nahen Ostens bieten.
Denn die Herausgeberinnen, Autorinnen und Autoren wollen den Titel der Reihe programmatisch verstanden wissen. Sie gehen von einem Begriff der Weltliteratur aus, der die orientalischen Literaturen nicht nur statisch einbegreift, sondern sie in ein Kulturregionen und Nationalsprachen übergreifendes Spannungsfeld stellt, dessen Dynamik erst im interdisziplinären Austausch erfasst werden kann. Sie gehen ferner davon aus, dass Literaturen in vielfacher Weise intertextuell geprägt sind, dass sie Lektüren verschiedenster vorausgehender Texte darstellen und daher erst in ihrem „lokalen historischen Kontext“ ihren Reiz als Ausdruck einer regional geprägten Ästhetik entfalten können. Die Reihe versucht so, einer neuen Sensibilität für mythische, archetypische, aber auch historische Subtexte in der nahöstlichen Literatur Bahn zu brechen, sie aber gleichzeitig als wichtigen Ausdruck einer globalen kulturellen Mobilität sichtbar zu machen.