Die Studie verhandelt unter dem Begriff der vorgestellten Öffentlichkeit erstmals das Zusammenwirken neuer Produktionsweisen des Buchdrucks, sich wandelnder Perzeptions- und Rezeptionsformen und das Entstehen neuer literarischer Genres. Am Beispiel ausgewählter Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ägypten werden die unterschiedlichen gesellschaftlichen Strategien, individuellen Motivationen und literarischen Darstellungsformen einer sich neu formierenden intellektuellen und ästhetischen Bewegung analysiert.
Diese literatursoziologische Studie geht dem Verhältnis von Modernisierungs- und Reformprozessen und neuen literarischen Genres im Ägypten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach. Wie sind die heterogenen modernen Literaturformen in diesem Umfeld entstanden und welche Motivationen der Autoren standen im einzelnen dahinter? Literatur wird hier als besondere Sphäre des Wissens und der Repräsentation sowie der Verarbeitung und Reflexion individueller und gesellschaftlicher Erfahrung betrachtet. Eine besondere Rolle spielte die Urbanität als konstitutives Element narrativer zeitgenössischer Prosa, wichtig war aber auch die Idee einer neuen Form der Öffentlichkeit und der öffentlichen Sphäre in und durch die Literatur sowie der durch die Reproduktionstechnik bedingte Verlust der Aura des Textes.
Nadia Al-Bagdadi studierte Islamwissenschaft in Berlin. Sie verbrachte längere Forschungsaufenthalte in Ägypten, Libanon und Syrien. Lehrtätigkeit übte sie u.a. in Berlin (Freie Universität), Ithaca (Aurora College) und Beirut (American University of Beirut) aus. Zur Zeit ist sie Professorin an der Central European University, Budapest. Seit 2004 Mitgründerin und Präsidentin von „al-Dhakira al-Arabiyya - Centre for Private Arab Papers“ (Beirut). Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen sozio-kulturelle und religiöse Transformationsprozesse in der arabischen Welt des 19. Jahrhundert sowie überfassendere Fragen vergleichender kultureller Praxis und Praktiken im Islam.
Diese Reihe stellt innovative Arbeiten zu den nahöstlichen Literaturen in ihren verschiedenen Epochen und Gattungen vor. Sie versteht sich nicht ausschließlich als ein Forum für Orientwissenschaftler, sondern möchte auch Komparatisten, Literaturwissenschaftlern und einer interessierten Öffentlichkeit Einblicke in das breite Spektrum gegenwärtig produzierter und rezipierter Literatur des Nahen Ostens bieten.
Denn die Herausgeberinnen, Autorinnen und Autoren wollen den Titel der Reihe programmatisch verstanden wissen. Sie gehen von einem Begriff der Weltliteratur aus, der die orientalischen Literaturen nicht nur statisch einbegreift, sondern sie in ein Kulturregionen und Nationalsprachen übergreifendes Spannungsfeld stellt, dessen Dynamik erst im interdisziplinären Austausch erfasst werden kann. Sie gehen ferner davon aus, dass Literaturen in vielfacher Weise intertextuell geprägt sind, dass sie Lektüren verschiedenster vorausgehender Texte darstellen und daher erst in ihrem „lokalen historischen Kontext“ ihren Reiz als Ausdruck einer regional geprägten Ästhetik entfalten können. Die Reihe versucht so, einer neuen Sensibilität für mythische, archetypische, aber auch historische Subtexte in der nahöstlichen Literatur Bahn zu brechen, sie aber gleichzeitig als wichtigen Ausdruck einer globalen kulturellen Mobilität sichtbar zu machen.