Tiefenpsychologisch orientierte Musiktherapie verbindet die anthropologischen, künstlerisch-ästhetischen und sonstigen besonderen Qualitäten der Musik mit den Grundlagen moderner Psychotherapie und ihren Techniken. Dieses Buch bietet u.a. einen Überblick über die wichtigsten Vorgehensweisen, die Beziehungsaspekte, die im Rahmen eines musiktherapeutischen Prozesses aktualisiert werden können, die Besonderheiten von Einzel- und Gruppenmusiktherapie sowie die Inhalte musiktherapeutischer Ausbildung und Forschung. Aufgrund der großen Bandbreite an Indikation und Arbeitsbereichen wird die tiefenpsychologische Basis sinnvoll ergänzt durch ein klienten- und prozessorientiertes Einbeziehen behavioraler / übender, humanistischer und systemischer Elemente.
In einer Fülle von psychotherapeutischen Verfahren und Methoden stehen die Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten und haben nur eines sicher gemeinsam: das Medium Musik. Das vorliegende Buch möchte helfen, hier eine Orientierung zu finden und sich auf gemeinsame historische Wurzeln zu besinnen. Diese liegen einerseits im anthropologisch Gegebenen, im Künstlerisch-Ästhetischen und Pädagogischen, andererseits in der Entwicklung der modernen Psychotherapie auf der Basis der Tiefenpsychologie sowie dem aktuellen medizinischen und psychologischen Wissenstand. Aus diesem Material sollten sich, aufgrund der Erfahrungen der letzten fünf Jahrzehnte, Bausteine zu einer musiktherapeutischen Lehre formulieren lassen.
Die Orientierung an der Tiefenpsychologie soll nicht einschränken und ausgrenzen. Sie soll bei den Grundlagen moderner Psychotherapie und ihren Techniken ansetzen und diese mit den besonderen Qualitäten des Mediums Musik in der Therapie verbinden, sodass die musiktherapeutischen Vorgehensweisen - Musikrezeption, improvisierte Dialoge und Gruppenerfahrungen, Körper-, Atem- und Stimmarbeit, Liedarrangement usw. - im Einklang stehen mit den seit über 100 Jahren immer umfassender und differenzierter erforschten und beschriebenen Gesetzmäßigkeiten der Psyche, mit der Dynamik des Unbewussten und seinen intra- und interpersonellen Manifestationen.
Speziell beschrieben werden hierbei u.a.: die entwicklungspsychologische Dimension, also die präverbale Interaktion, verstanden als lautmalerischer Dialog und die Bedeutung von Musik für Sozialisation und Biografie; die Beziehungsaspekte, die im Rahmen eines musiktherapeutischen Prozesses aktualisiert werden können; die Verdichtung unbewusster repetitiver Erlebens- und Verhaltensmuster in der musikalisch freien Improvisation, die gleichzeitig ein tiefenpsychologisches Übungsfeld darstellt und überhaupt der tiefenpsychologische Blick auf das musiktherapeutische Geschehen. Dabei werden auch die Besonderheiten von Einzel- und Gruppenmusiktherapie sowie die Inhalte musiktherapeutischer Ausbildung und Forschung berücksichtigt.
Ein Überblick über Indikation und Arbeitsbereiche der Musiktherapie verdeutlicht eine große Bandbreite und eine sehr unterschiedlicher Klientel. Die damit verbundenen ebenso unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen und Behandlungsideologien zwingen, vor allem im Hinblick auf die Ausbildung, zu einem pragmatischen Eklektizismus. Eine tiefenpsychologische Grundhaltung mit einer entsprechend Lehrtherapie ermöglicht dabei Orientierung und Disziplin, sodass ein klienten- und prozessorientiertes Einbeziehen behaviorale/übender, humanistischer und systemischer Elemente kein Ausweichen vor dem Schwierigen darstellt sondern sinnvolle Ergänzung ermöglicht.
In diesem Sinne soll das vorliegende Buch einen Überblick geben über die Bausteine musiktherapeutischer Lehre begründen, auf der Musiktherapeuten ihren Beruf sinnvoll erlernen und kompetent ausüben können.
„Das Buch wird seinem Anspruch voll gerecht, ist flüssig und gut verständlich. Musiktherapeuten bietet es mannigfaltige Anregungen.“
In: Musiktherapeutische Umschau. 26 (2005) 2. S. 196-197.
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„Insgesamt eine gewinnbringende Lektüre insbesondere für StudieneinsteigerInnen, aber auch für musiktherapeutische KollegInnen, die den Timmermann’schen Standpunkt, nun zusammengefasst, zur Kenntnis nehmen möchten.“
In: Jahrbuch Musiktherapie. 1 (2005). S. 171-172.
Tonius Timmermann, Prof. Dr.
Studium der Pädagogik mit Schwerpunkten Psychologie, Sozialarbeit, Musik; Schuldienst; Ausbildung zum Musiktherapeuten an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und Universität Wien; Tätigkeit in Kliniken (Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik); musikanthropologische und musiktherapeutische Forschung, Promotion zum Dr. rer. biol. hum. an der Universität Ulm; Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und Hochschulen; Aufbau und Mitleitung des Instituts für Musiktherapie und der "Berufsbegleitenden Weiterbildung Musiktherapie" am Freien Musikzentrum München; Professor für Musiktherapie an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, Aufbau eines Masterstudiengangs Musiktherapie; freie Praxis in München