Die Frage, welche nonverbale Therapieform für einen Patienten geeignet ist, interessiert die betroffenen Therapeuten und Ärzte, die aufgrund der diagnostischen Abklärung nach geeigneten Therapieverfahren für einen Patienten suchen und hierfür konkreter Kriterien bedürfen. Am Beispiel der Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ werden in sieben Falldarstellungen die Zugänge zu dieser seelischen Problematik über Körper und Atem, Kunst, Tanz, Aktive und Rezeptive Musiktherapie dokumentiert. Zusammenfassend werden schließlich Möglichkeiten und Grenzen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der jeweiligen Methoden reflektiert.
In einer Fülle von psychotherapeutischen Verfahren und Methoden stehen die Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten und haben nur eines sicher gemeinsam: das Medium Musik. Das vorliegende Buch möchte helfen, hier eine Orientierung zu finden und sich auf gemeinsame historische Wurzeln zu besinnen. Diese liegen einerseits im anthropologisch Gegebenen, im Künstlerisch-Ästhetischen und Pädagogischen, andererseits in der Entwicklung der modernen Psychotherapie auf der Basis der Tiefenpsychologie sowie dem aktuellen medizinischen und psychologischen Wissenstand. Aus diesem Material sollten sich, aufgrund der Erfahrungen der letzten fünf Jahrzehnte, Bausteine zu einer musiktherapeutischen Lehre formulieren lassen.
Die Orientierung an der Tiefenpsychologie soll nicht einschränken und ausgrenzen. Sie soll bei den Grundlagen moderner Psychotherapie und ihren Techniken ansetzen und diese mit den besonderen Qualitäten des Mediums Musik in der Therapie verbinden, sodass die musiktherapeutischen Vorgehensweisen - Musikrezeption, improvisierte Dialoge und Gruppenerfahrungen, Körper-, Atem- und Stimmarbeit, Liedarrangement usw. - im Einklang stehen mit den seit über 100 Jahren immer umfassender und differenzierter erforschten und beschriebenen Gesetzmäßigkeiten der Psyche, mit der Dynamik des Unbewussten und seinen intra- und interpersonellen Manifestationen.
Speziell beschrieben werden hierbei u.a.: die entwicklungspsychologische Dimension, also die präverbale Interaktion, verstanden als lautmalerischer Dialog und die Bedeutung von Musik für Sozialisation und Biografie; die Beziehungsaspekte, die im Rahmen eines musiktherapeutischen Prozesses aktualisiert werden können; die Verdichtung unbewusster repetitiver Erlebens- und Verhaltensmuster in der musikalisch freien Improvisation, die gleichzeitig ein tiefenpsychologisches Übungsfeld darstellt und überhaupt der tiefenpsychologische Blick auf das musiktherapeutische Geschehen. Dabei werden auch die Besonderheiten von Einzel- und Gruppenmusiktherapie sowie die Inhalte musiktherapeutischer Ausbildung und Forschung berücksichtigt.
Ein Überblick über Indikation und Arbeitsbereiche der Musiktherapie verdeutlicht eine große Bandbreite und eine sehr unterschiedlicher Klientel. Die damit verbundenen ebenso unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen und Behandlungsideologien zwingen, vor allem im Hinblick auf die Ausbildung, zu einem pragmatischen Eklektizismus. Eine tiefenpsychologische Grundhaltung mit einer entsprechend Lehrtherapie ermöglicht dabei Orientierung und Disziplin, sodass ein klienten- und prozessorientiertes Einbeziehen behaviorale/übender, humanistischer und systemischer Elemente kein Ausweichen vor dem Schwierigen darstellt sondern sinnvolle Ergänzung ermöglicht.
In diesem Sinne soll das vorliegende Buch einen Überblick geben über die Bausteine musiktherapeutischer Lehre - Bausteine mit deren Hilfe Musiktherapeuten ihren Beruf sinnvoll erlernen und kompetent ausüben können.
„Die hier vorliegende Materialsammlung dokumentiert verschiedene Arbeitsweisen nonverbaler Therapien bei Patienten mit der Diagnose „Persönlichkeitsstörungen“. Nach einer ärztlichen Einführung werden in sieben Fallbeispielen therapeutische Zugänge über Körper und Atem, Kunst, Tanz, Aktive und Rezeptive Musiktherapie dargestellt. Es werden ihre Möglichkeiten und Grenzen untersucht. Die Fallbeispiele veranschaulichen sehr einfühlsam die jeweiligen Prozesse, die der Leser gut begleiten und nachvollziehen kann. Nonverbale Therapie bedeutet jedoch nicht, dass Sprache, wo sie möglich und sinnvoll ist, nicht auch ihren Platz und ihre Bedeutung hat. So bietet das Nonverbale eine Erfahrungsmöglichkeit an, die dann besprochen wird. Das Erfahrene kann Bereiche einbeziehen, die jenseits von Sprache liegen „unaussprechlich“ oder „noch nicht aussprechbar“ sind, was für Persönlichkeitsstörungen von besonderer Bedeutung ist.
„Im Zentrum der nonverbalen Therapie steht in jedem Fall, wie auch in den verbalen Therapien, die gelungene therapeutische Beziehung, die sich aus dem therapeutischen Klima und den persönlichen Qualitäten des Therapeuten ergibt. Erst die spezifischen Wirkfaktoren sind dann methodenabhängig.“ (Kächele 1988).
Der Einblick in die verschiedenen Möglichkeiten nonverbaler Therapien kann auch eine Hilfe bieten bei der Suche nach einem geeigneten Therapieverfahren, ebenso Atemtherapeuten u.a. viele Anregungen zur Reflektion der eigenen Arbeit geben. Zur Lektüre sehr zu empfehlen.“
In: Atem. Die Zeitschrift. 4 (2005) Heft 1. S. 56.
Die Herausgeber
Tonius Timmermann, Prof. Dr. rer. biol. hum. (Wessobrunn)
Dipl. Päd., Musiktherapeut BVM, Psychotherapie HPG, Professor für Musiktherapie und Leiter des Studienganges an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, Abt. Augsburg, Mitbegründer des Instituts für Musiktherapie und der berufsbegleitenden Weiterbildung Musiktherapie am Freien Musikzentrum München, Praxis in München, Seminare und Vorträge im In- und Ausland, zahlreiche Publikationen.
Autoren
Peter Petersen, Prof. Dr. med. (Hannover)
Professor emeritus für Psychotherapie und Psychiatrie an der Medizinischen Hochschule Hannover, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse. Bis 1998 Leiter des Arbeitsbereiches Psychotherapie und Gynäkologische Psychosomatik. Studium der Medizin, Psychologie und Philosophie. Mehr als 420 Publikationen, darunter viele zu künstlerischen Therapien. 1997 Gründung des Forschungsinstituts für künstlerische Therapien.
Dieter Mittelsten Scheid, Dr. med. (München, Poci/I.)
Psychotherapeut und Atemtherapeut, Ausbildungen in Psychiatrie, humanistischer Psychotherapie, Atemtherapie (Herta Richter) und funktionaler Integration nach Feldenkrais. Gründer und Mitarbeiter im Therapiezentrum Coloman bei Wasserburg. Seit 18 Jahren Leitung von Schweige-, Atem- und Bewusstseinsretreats in Poci/Toskana. Freie Atemtherapie und Psychotherapiepraxis in München und Italien.
Stefan Bischof (Freiburg i. Br.)
Atemtherapeut Dipl. AFA, Körperpsychotherapeut DGK, HP für Psychotherapie, Ausbildung bei Prof. Ilse Middendorf in Berlin. Seit 1986 Praxis in Freiburg i. Br. Ausbilder am eigenen Institut für Atempsychotherapie.
Eva Haaf (München)
Ergo-, Kunst- und Gestaltungstherapeutin; Tätigkeit im KMB und KMH in München (Schwerpunkt Krisen- und Traumasetting) und in eigener Praxis. 2-jährige Tätigkeit auf der Palliativstation des Christopherus-Hospizes, ebenso KMH. Regelmäßige Vortragstätigkeit, Praktikumsanleiterin verschiedener Ausbildungsinstitute in München.
Flora Gräfin von Spreti (München)
Malerin, AdBK München, Kunsttherapeutin grad. DFKGT, Dozentin und Lehrtherapeutin an der Akademie der Bildenden Künste München und an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Zahlreiche Buchveröffentlichungen. Seit 1987 Kunsttherapeutin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Technischen Universität München.
Marianne Eberhard, M. A. (Leverkusen)
Tanz- und Ausdruckstherapeutin M. A., Psychotherapie HPG, Wissenschaftliche Leiterin des Langen Instituts für Tanz- und Ausdruckstherapie, Ausbilderin, Lehrtherapeutin und Supervisorin für Tanz- und Ausdruckstherapie BTD. Langjährige Tätigkeit in der stationären Psychotherapie und Psychosomatik und der Esssuchtberatung, seit 2003 in eigener Praxis. Kongresstätigkeit, zahlreiche Publikationen und aktive berufspolitische Tätigkeit.
Carola Maack, M. A. (Hamburg)
Diplom-Musiktherapeutin und GIM-Therapeutin (Guided Imagery and Music nach Bonny), zusätzlich Weiterbildung in EMDR, seit 1996 in eigener Praxis mit Schwerpunkt Psychotraumatologie, seit 1998 Ausbilderin, Lehrtherapeutin und Supervisorin für Musiktherapie und GIM, Lehrbeauftragte der Fachhochschule Frankfurt und an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Institut für imaginative Psychotherapie und Musik, Buchholz.
Elisabeth Schäfermeyer-Kinoshita (Bad Tölz)
Studium an der Musikhochschule Rheinland, Tätigkeit als Instrumentalpädagogin in Deutschland und Japan mit Schwerpunkt Ensemblearbeit. Musikerin, Musiktherapeutin (BVM), Ausbildung am FMZ. Musiktherapeutische Tätigkeit in der psychiatrischen Rehabilitation im Reha-Zentrum Isarwinkel, Bad Tölz.