Die Elementare Musik- und Bewegungspädagogik, welche die Ansätze von Carl Orff und Gunild Keetmann weiter trägt, weist der Persönlichkeitsentwicklung einen hohen Stellenwert zu. Sie profitiert vom Austausch mit Nachbarfächern wie Musiktherapie, Bindungsforschung und Erziehungswissenschaft. Das vorliegende Werk zeigt Berührungs- und Überschneidungsgebiete mit der Musiktherapie auf, die einem inklusiven musikpädagogischen Anspruch zu Gute kommen. Aus der Bindungstheorie wird insbesondere der Aspekt der Beziehungsqualität zwischen Lehrperson, Schülerinnen und Schülern betrachtet und diskutiert.
Der theoretische Teil der Arbeit untersucht die wachsende Beziehungsqualität von improvisierenden Kindern über ein Quartal. Aus unterrichtstheoretischer Sicht entspricht das vorgeschlagene Setting einer sozialkonstruktivistischen Herangehensweise. Dabei spielt die Beziehungsgestaltung der Lehrperson den Kindern gegenüber eine wesentliche Rolle, aber ebenso das gemeinsame Gespräch über das Erleben von Improvisationen.
Die Auswertung der Improvisationssequenzen in 16 Klassen und Musikgruppen aus Deutschland und der Schweiz versteht sich als Erweiterungsbaustein zu vorhandenen musiktherapeutischen Arbeiten rund um die Beziehungsqualitäten improvisierender Kinder mit Autismus. Die schulischen Resultate zeigen eine Tendenz zu sich verdichtender Beziehungsaufnahme der improvisierenden Kinder untereinander. Der musikalische Ausdruck entwickelt und verfeinert sich, aber ebenso das bewusste Erkennen von musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten. Das legt nahe, solche Settings vermehrt in Musikschulen und Schulen zu pflegen, weil Kinder mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund davon profitieren können.
Ausführliche Merkmallisten ermöglichen eine präzise Handhabe und Einschätzung dessen, was in Improvisationen geschieht. Sie beschreiben detailliert wie Beziehungsqualität und Umgangsweisen mit dem Instrument zusammenhängen. Zu den unterschiedlichen Beziehungsqualitäten findet die praktisch tätige Lehrperson Anregungen für die Feedbackgestaltung. Dadurch kann die vorhandene Beziehungsqualität berücksichtigt werden und das Kind fühlt sich bei der Rückmeldung weder über- noch unterfordert.
Nach einer illustrierenden Betrachtung der Nebenergebnisse, welche sich aus den Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern ermittelten, zeigt die Arbeit schliesslich Vorschläge für weitere Improvisationsspiele. Sie regen dazu an, der Improvisation und Beziehungspflege in der Elementaren Musikpädagogik variantenreich nachzugehen und den jungen Menschen Zugänge zur Welt der Musik und sich selber zu öffnen
Charlotte Fröhlich (*1955 in Luzern) widmete sich nach einer altsprachlichen Matura im ersten Studium den Naturwissenschaften. Doch bald stellte sich heraus, dass ihr grundlegendes Interesse dem spielenden Menschen, der Musik und der Bewegung galt. Das zweite Studium am Mozarteum Salzburg/ Orff-Institut weckte schliesslich die Leidenschaft, nach den Wurzeln des musikalischen Ausdrucks zu suchen und aus Querverbindungen mit anderen Disziplinen zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Das führte zu einer Promotion an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, welche die Produktivität der Überschneidungsgebiete von Musikpädagogik und Musiktherapie untersuchte.
Dank vielseitiger Unterrichtserfahrungen mit Kindern ab dem ersten Lebensjahr, mit Grund- und Sonderschulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen konnte Charlotte Fröhlich schliesslich als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dozentin und Professorin ein breites Spektrum der Musikpädagogik abdecken und weitergeben. Zuletzt war sie als Professorin an der PH FHNW Basel tätig.
Das gegenwärtige Forschungsinteresse von Charlotte Fröhlich richtet sich auf die Verschränkung von Musikerleben, musikalischem Ausdruck und Persönlichkeitsentwicklung. Eine Gastforschungsauftrag an der Universität Potsdam ermöglichte die aktuelle Forschung zu Improvisation und Beziehungsqualität.