Viele traumatisierte Menschen erleben die Musiktherapie als eine unterstützende und hilfreiche Therapieform. Die Welt der Musik kann den Menschen heilsame Erfahrungen der Geborgenheit geben und mit ihren non-verbalen Ausdrucksmöglichkeiten hilfreiche Formen der Stressbewältigung und der emotionalen Regulation vermitteln. So wird die die Fähigkeit gestärkt, traumatischen Stress und emotional belastende Erinnerungen zu verarbeiten. Darüber hinaus eröffnet die Musiktherapie Erfahrungsspielräume zur dosierten Auseinandersetzung mit Traumata, zur Überwindung von Traumafolgestörungen und zum Aufbau und zur Erweiterung von psychosozialen Kompetenzen.
Gleichzeitig verweisen die Erkenntnisse der aktuellen Traumatherapieforschung auch auf Gefahren expressiver Behandlungsmethoden und fordern innovative Therapiekonzepte zum professionellen Umgang mit potentiellen Risiken und zur traumatherapiespezifischen Anwendung therapeutischer Methoden.
In dem vorliegenden Buch „Musiktherapie mit Opfern von Gewalt und Missbrauch“ stellen Experten aus verschiedenen Bereichen ihre intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aspekten aus Forschung, Theorie und Praxis zur methodischen Weiterentwicklung musiktherapeutischer Vorgehensweisen vor. Unter Einbeziehung neurobiologischer Erkenntnisse sowie entwicklungspsychologischer Forschungsergebnisse erarbeiteten sie theoretische Modelle, Interventionsstrategien und spezifisch musiktherapeutische Expositionsmöglichkeiten, die das Potential der traumaspezifischen Musiktherapie herausstellen.
Die Fallbeispiele aus musiktherapeutischen Behandlungen, aus den Kontexten Psychosomatik und Psychiatrie, verdeutlichen unter anderem die Besonderheiten auf die in der Arbeit mit Kindern im Vergleich zu Erwachsenen geachtet werden muss oder die mit traumatisierten Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen entstehen. In weiteren Beiträgen wird der Zusammenhang zwischen der Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung, Trauma und sexuellem Missbrauch thematisiert sowie das Potential als auch das Risiko des Mediums Musik im Vergleich zu anderen Medien herausgearbeitet. Erstmalig wird ein Konzept für den ambulanten Bereich veröffentlicht, das komplex traumatisierten Menschen neben der Einzelmusiktherapie auch die Teilnahme an einer Gruppenmusiktherapie ermöglichen soll.
Neben den musiktherapeutischen Beiträgen wird in diesem Band auch das Thema Digitalisierung aufgegriffen, das für die Beforschung der Entstehung und Behandlung von Traumafolgestörungen durch und mit digitalen Medien zunehmend an Bedeutung gewinnt. Für die Musiktherapie öffnet sich hier ein weiteres Forschungsfeld.
Das Buch zeigt den aktuellen Stand der spezifisch traumatherapeutischen Musiktherapie auf und richtet sich an Musiktherapeuten, künstlerische Therapeuten, Psychotherapeuten, Ärzte und an der Thematik interessierte Leser.
Silke Siebert (geb.1980), Studium an der Hochschule Magdeburg-Stendal, Ausbildung zur Gestalttherapeutin am Institut für Gestalt und Erfahrung, zahlreiche Fort- und Weiterbildungen in musiktherapeutischen, körpertherapeutischen und systemischen Methoden. Seit 2009 in psychosomatischen Kliniken tätig, aktuell HNO-Klinik Dr. Gaertner, ambulante Praxis, Fachbereichsleitung und Fortbildungstätigkeit am Institut für Musiktherapie am Freien Musikzentrum München e. V.
Andreas Wölfl, Dr. phil., Diplom-Musiktherapeut (FH), klinischer Musiktherapeut (MAS), Lehrmusiktherapeut (DMtG), Supervisor (DGSv), Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Seit 1989 Musiktherapeut in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Supervision, Coaching und Musiktherapie in freier Praxis, Aus- und Fortbildungstätigkeit, Veröffentlichungen. Leitung der berufsbegleitenden Musiktherapieausbildung BWM und der Arbeitsgruppe Prävention am Freien Musikzentrum München e. V.