Die Ausgrabungen des 19. und des frühen 20. Jhs. im Gräberfeld der etruskischen Stadt Vetulonia förderten eine Reihe von reich ausgestatteten sog. Fürstengräber der orientalisierenden Periode (Ende 8. – Anfang 6. Jh. v. Chr.) zutage. Trotz der großen Bedeutung der Fundstelle blieb eine Auswertung vieler Fundkomplexe aus. Die vorliegende Studie bietet erstmals ein Gesamtbild über die Forschungsgeschichte, die Grabsitten und die materielle Kultur der orientalisierenden Periode in Vetulonia und berücksichtigt die bisher unbekannte originale Dokumentation sowie das erhaltene Fundmaterial. Die Rekontextualisierung der Bestattungen ermöglicht neue Einblicke in die soziale Entwicklung Vetulonias, insbesondere wird das Aufkommen der ‚gentilizischen‘ Struktur und der sog. Fürsten analysiert.
Die auf Italienisch verfasste Arbeit behandelt die Nekropole der etruskischen Siedlung von Vetulonia und ihre Entwicklung im Laufe der orientalisierenden Zeit (Ende 8. – Anfang 6. Jh. v. Chr.). Im Zentrum der Untersuchung stehen die Frage nach der Ausbildung der sog. Fürstengräber und der gentilizischen Gesellschaft sowie ihr Nachweis in der Struktur und Entwicklung des Gräberfeldes – Phänomene, die in anderen etruskischen Nekropolen dieser Epoche beobachtet werden konnten.
Die Nekropole von Vetulonia wurde hauptsächlich vom Arzt Isidoro Falchi im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ausgegraben und nur vereinzelt in späterer Zeit untersucht. Die Resultate dieser Erforschung wurden nur teilweise veröffentlicht und aufgearbeitet, aus diesem Grund bildete eine übergreifende Studie über das Material und über die Nekropole Vetulonias als Ganzes lange Zeit ein Desiderat der archäologischen Forschung. Mit dem Band „La necropoli di Vetulonia nel periodo orientalizzante“ werden erstmals alle Grabungskampagnen in Vetulonia behandelt und ausgewertet und eine umfassende Übersicht über die orientalisierende Periode als Ganzes, ihre Entwicklung und ihre Charakteristika im diesem wichtigen Zentrum dargelegt. Die über 1000 s/w und Farbabbildungen und die umfangreichen Kataloge auf CD bieten zum ersten Mal eine umfassende Materialbasis für die künftige wissenschaftliche Beschäftigung mit Vetulonia.
Die Studie umfasst drei Teile, in denen die zentralen Aspekte des Gräberfeldes untersucht werden: die Forschungsgeschichte, das Fundmaterial und die kulturhistorische Bedeutung. Ausgangspunkt für den ersten Teil bildeten die originale Grabungsdokumentation (1882-1913) sowie die vom Ausgräber veröffentlichten Grabungsberichte. Die Analyse und der Vergleich mit den noch erhaltenen Funden haben es ermöglicht, die einzelnen Grabinventare zu rekonstruieren und ihre Zusammensetzung zu prüfen sowie eine neue Planimetrie der Nekropole zu rekonstruieren. Der zweite Teil der Studie befasst sich im Detail mit den Gräbern der orientalisierenden Periode. Dabei werden Aspekte der Grabtypologie, des Ritus und der Grabbeigaben behandelt. Insbesondere die ca. 4’000 noch erhaltenen Funde werden einer detaillierten Studie unterzogen und typologisch gegliedert. Die kulturhistorischen Aspekte werden im dritten Teil behandelt. Das typologisch eingeteilte Material wird mithilfe der statistischen Methoden von Seriation und Korrespondenzanalyse in chronologische Phasen unterteilt. Die Gräber werden anschließend auf der Grundlage der Komposition ihrer Inventare, der Architektur, der Datierung und der Lage in der Nekropole einer Reihe von Überlegungen unterzogen. Insbesondere werden Beobachtungen zur Unterscheidung zwischen Männer- und Frauengräbern, zur Verteilung von Waffen und zur Verteilung von gewissen Rangabzeichen (wie etwa Wagen und Trensen, Elemente des Banketts und des Weinkonsums, Keimelia) angestellt. Die Kombinationen solcher Rangabzeichen führen zum Versuch einer Charakterisierung von „Fürstengräbern“. Die chronologische und topographische Verteilung der „Fürstengräber“ und der anderen Bestattungen wird anschließend analysiert: Im Laufe der gesamten orientalisierenden Epoche werden sowohl die seit Jahrhunderten bekannten großen Villanova-Gräberfelder als auch neue Bestattungsareale benutzt. Die „Fürstengräber“ entstehen allerdings mehrheitlich an neuen Orten und werden mit der Zeit von kleinen Gräbergruppen umschlossen. Sie scheinen somit einen Wille zur Abgrenzung von der übrigen Gesellschaft durch die Suche nach neuen Bestattungsarealen für den eigenen Clan zum Ausdruck zu bringen. Diese Entwicklung wird schließlich in Zusammenhang mit der Ausbildung einer gentilizischen Gesellschaft gebracht.
„This handsomely produced volume is profusely illustrated and the accompanying CD contains two extensive catalogues in searchable PDF format (tombs; grave goods by type). The list of contents is detailed and there is an index of tombs, but it is included as column 14 within the second of the two concordances. To consult the concordances, the book has to be turned 90 degrees. An index of subjects would have been useful for quick consultation. That is a minor quibble. Colombi is to be congratulated on producing an essential resource for the understanding, and future study, of Orientalising Vetulonia and its necropolis.“
Von Ross Cowan
In: BMCR (Bryn Mawr Classical Review) 2020.02.07
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„This is an impressive book and a testament to the author’s dedicated research into both archival and archaeological materials. Colombi’s study grew out of her dissertation (University of Basel 2014), and it is, in my opinion, one of the finest examples of a scholarly book based on an earlier dissertation. We owe her and her mentors gratitude for a study which will no doubt be of great value to many Etruscologists for years to come.“
Von Richard Daniel De Puma
In: Etruscan Studies 2019 22(1-2), S. 179-181
Camilla Colombi (1980) hat Klassische Archäologie, Vorderorientalische Archäologie und Alte Geschichte an der Universität Basel – mit einem Auslandsjahr in Florenz – studiert. Mit einer Dissertation zur etruskischen Nekropole von Vetulonia in der orientalisierenden Periode wurde sie im März 2014 an der Universität Basel promoviert. Sie war zunächst Assistentin an der Universität Basel und ist seit 2016 wissenschaftliche Referentin bei der Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts. Ihre Forschungsinteressen umfassen die Etruskologie und italische Archäologie, die präkoloniale Zeit in Unteritalien, die Gräberfeldarchäologie und die Kulturkontaktforschung.
Herausgeber:
Nadin Burkhardt
Henner von Hesberg
Erich Kistler
Alessandro Naso
Richard Neudecker
Christina Nowak
Ellen Thiermann
Die Reihe „Italiká“ nimmt monographische Werke und thematisch einheitliche Sammelschriften aus den Gebieten der Altertumskunde auf, die sich im weitesten Sinne mit Quellen, Befunden und Funden auf dem Territorium des heutigen Italien in vorrömischer Zeit befassen. Bei der Auswahl der Manuskripte legt die Gruppe der HerausgeberInnen besonderen Wert auf methodisch und theoretisch innovative Ansätze, die das weit gefächerte Spektrum der komplexen Welt der Kulturkontakte exemplarisch beleuchten. Die Reihe soll die Forschung zu den italischen Kulturen intensivieren und ihr mehr Gewicht verleihen. Der griechische Begriff „Italiká“ betont den von außen gerichteten Blick auf Italien, steckt den geographischen Rahmen ab und unterstreicht den zeitlichen Schwerpunkt auf die vorrömische Periode. Die Redaktion der Bände wird durch die jeweiligen Autoren bzw. Herausgeber selbst getragen, und die Mittel für die Drucklegung für jeden Band neu eingeworben.
La necropoli del centro etrusco di Vetulonia è stata indagata in modo estensivo tra la fine dell’800 e l’inizio del ’900, portando alla scoperta di ricche sepolture ‘principesche’ databili nel periodo orientalizzante (fine VIII – inizio VI secolo a. C.). Ciò nonostante, numerosi complessi sono rimasti sostanzialmente sconosciuti. Il presente volume traccia per la prima volta un quadro d’insieme sulla storia degli scavi, sull’evoluzione dei costumi funerari e sulla cultura materiale della Vetulonia orientalizzante. L’analisi si basa sull’ampia documentazione originale inedita e sui corredi conservati. La ricontestualizzazione dei complessi tombali permette nuove considerazioni sullo sviluppo sociale di questo importante centro, in particolare sull’emergere della società ‘gentilizia’ e delle figure di ‘principi’.