Unter dem Titel „100 Jahre Entzifferung des Hethitischen. Morphosyntaktische Kategorien in Sprachgeschichte und Forschung“ sind 25 Beiträge versammelt, die einerseits Bilanz ziehen und andererseits zukunftsorientiert aktuelle Forschungsfragen verfolgen. Im Mittelpunkt stehen morphologische und morphosyntaktische Themen, welche die Bedeutung des Hethitischen für die Vergleichende Sprachwissenschaft, besonders im Hinblick auf die Rekonstruktion der Grundsprache und möglicher Stammbaummodelle, würdigen. Daneben bietet der Tagungsband Beiträge mit syntaktischen, syntaktisch-semantischen, methodologischen und philologischen Fragestellungen und präsentiert somit ein breites Spektrum neuer Denkanstöße und Erkenntnisse im Bereich der Anatolistik und Indogermanistik.
Im Jahr 2015 jährte sich zum 100. Mal die Entzifferung des Hethitischen durch Bedřich Hrozný – und damit auch die Begründung der hethitischen Sprachwissenschaft. Das wissenschaftliche Verdienst Hroznýs um die Hethitologie und die Vergleichende Sprachwissenschaft wurde in diesem Jahr auch im Rahmen der Arbeitstagung der Indogermanischen Gesellschaft gewürdigt. Diese fand vom 21. bis 23. September 2015 in Marburg statt, das sich durch seinen anatolistischen Schwerpunkt als prädestiniert für diesen Anlass erwies.
Der Titel „100 Jahre Entzifferung des Hethitischen. Morphosyntaktische Kategorien in Sprachgeschichte und Forschung“ lud einerseits ein, Bilanz zu ziehen, und andererseits zukunftsorientiert aktuelle Forschungsfragen zu verfolgen. Der Fokus lag dabei auf dem Einfluss hethitischer Evidenz auf unsere Rekonstruktion der indogermanischen Grundsprache sowie auf die Erstellung geeigneter Stammbaummodelle.
Die 25 hier präsentierten Beiträge widmen sich den Grundfragen der Tagung, und zwar sowohl mit historisch-vergleichenden Zielsetzungen als auch aus sprachlich-philologischer Perspektive. Resümierende Darstellungen der vergangenen 100 Jahre indogermanistischer Auseinandersetzung mit dem Hethitischen (Melchert, Jasanoff, Kim), morphologische Einzelthemen (Fellner/Grestenberger, Höfler, Kocharov, Simon, Yoshida), aber auch breitere Komplexe (Kloekhorst, Kümmel, Oettinger), sowie syntaktische und syntaktisch-semantische Studien (Boroday/Yakubovich, Dardano, Frantíková, Hackstein, Kölligan, Luraghi/Inglese) beschäftigen sich mit den Kernfragen der Tagung. Ergänzt werden diese Themen durch methodologische und theoretische Fragestellungen (Cotticelli/Giusfredi, Sideltsev, Widmer) sowie philologische Betrachtungen (Francia). Eine bemerkenswerte Zahl an Beitragenden präsentiert Untersuchungen zu den „kleinen“ anatolischen Schwestersprachen des Hethitischen (Martínez, Sasseville, Serangeli, Vernet).
Die enorme Resonanz seitens der internationalen Forschungsgemeinschaft beweist die große Aktualität und Akzeptanz des gesamten Themenkomplexes, wobei die insgesamt hohe Qualität, besonders aber diejenige der Beiträge junger Forscherinnen und Forscher positiv auffällt.
Der vorliegende Tagungsband gibt somit wichtige Impulse für die weitere Forschung – gerade auch für übergreifende Fragestellungen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft – und trägt weiter zum interdisziplinären Dialog zwischen Philologie und Sprachwissenschaft bei. Besonders im noch viel zu wenig bearbeiteten Bereich der Syntax und seiner Berücksichtigung für Fragen der Stammbaumproblematik werden wichtige Anstöße gegeben und erste Erkenntnisse gefördert.
„Der vorliegende Sammelband (...) stellt zweifellos eine Pflichtlektüre nicht nur für auf das Anatolische spezialisierte Forschende, sondern für alle Indogermanistinnen und Indogermanisten dar (...)“
Von Melanie Malzahn, Martin Peters
In: Informationsmittel (IFB): digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft unter
http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=10089
Elisabeth Rieken (*1965) studierte Indogermanistik, Gräzistik und Hethitologie an den Universitäten in Hamburg und Bochum. Nach ihrer Promotion 1996 an der Ruhr-Universität Bochum war sie als Assistentin an der Freien Universität Berlin sowie an der Cornell University (USA) und der University of London tätig. Seit 2002 ist sie Professorin für Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der philologischen, linguistischen und sprachhistorischen Erschließung des Hethitischen und seiner kleineren anatolischen Schwestersprachen.