Fünf Bogenbauten zieren als Ehrenmonumente zentral gelegene Plätze Pompejis. Seit langem sind sie bekannt und finden sich auch in Rekonstruktionsdarstellungen der vergangenen zwei Jahrhunderte mehrfach und oft phantasievoll in Szene gesetzt. Ihr Baubestand wurde bis heute noch nicht näher untersucht. Vor dem Hintergrund nur recht spärlich erhaltener vergleichbarer Monumente aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert stellte die Untersuchung dieser Monumente bisher ein Desiderat der Bauforschung dar und trägt zudem zur Klärung von Fragen bei, die die komplexe Entwicklungsgeschichte des gesamten Forumsareals betreffen. Über offene Detailfragen der jeweiligen Einzelmonumente hinaus konnten aufgrund der besonderen Situation in Pompeji auch vergleichende typologische und urbanistische Aspekte der Bauten behandelt werden.
Eine Einleitung von Valentin Kockel ergänzt die bauhistorische Untersuchung aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht. Erstmals können bisher unpublizierte Zeichnungen von William Gell aus dem frühen 19. Jahrhundert abgebildet werden.
In Pompeji ist ein vollständiges Ensemble von fünf Bogenbauten nachweisbar, wobei ein gelegentlich (und sicher falsch) als Tetrapylon interpretierter Bau nicht mitgezählt ist. An wichtigen Stellen des Forumsareals gelegen, bildeten sie Zugänge aus oder fungierten als markante Übergänge zwischen verschiedenen Teilbereichen der Anlage. Die Bögen sind somit aufschlussreich für die Interpretation der Bebauung und der Entwicklung des Forums seit augusteischer Zeit.
Das Interesse, das die Monumente seit ihrer Freilegung im Lauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Gelehrten und Künstlern fanden, schlug sich in zahllosen, in den wesentlichen Teilen im ersten Abschnitt des Buches wiedergegebenen und diskutierten bildlichen Darstellungen und Rekonstruktionsvorschlägen nieder. Sie bilden für sich genommen einen interessanten Aspekt der Forschungsgeschichte Pompejis und besitzen zudem Aussagekraft für die Bewertung des noch erhaltenen Baubestands. In der Forschung der letzten nahezu 200 Jahre standen zum einen urbanistische Fragen im Mittelpunkt des Interesses (bis hin zu Le Corbusiers kommentierten Skizzen von 1911), zum anderen die ungeklärten Zuweisungen der Ehrenbögen. Diese mussten, wie wir heute sehen, aufgrund fehlender Befunde letztlich ungeklärt bleiben und konnten zum besseren Verständnis der Entstehungsgeschichte des Forums kaum etwas beitragen.
Die vorliegende Untersuchung basiert erstmalig auf der Grundlage einer vollständigen Erfassung, Dokumentation und Beschreibung des Baubestands sowie auf seiner kritischen Beurteilung. Die besonderen Gegebenheiten in Pompeji ermöglichten es hierbei, das Augenmerk ausgehend von einzelnen Baudetails auf das jeweilige gesamte Monument und seine Umgebung bis hin zur übergreifenden vergleichenden Betrachtung mehrerer Monumente zu richten. Die Untersuchung der jeweiligen Einzelmonumente konnte also auf die Thematisierung typologischer Unterschiede und der Betrachtung diverser Aspekte der Bauaufgabe „Bogenmonument“ ausgeweitet werden. Sie führte zu dem überraschenden Ergebnis, dass mindestens drei der Bauten bei ganz unterschiedlichem gegenwärtigem Erscheinungsbild - als kleines würfelförmiges Einzelmonument, als den Tempel flankierende Kompositionselemente oder als hochgestreckter, einen Verkehrsweg überwölbender Bogenbau - in Größe und Proportion ihrer verlorenen und rekonstruierten Gliederungselemente weitgehend übereinstimmten. Dahinter steht vermutlich ein hohen Grad der Standardisierung bei der Errichtung und der Verkleidung dieser Bauten, möglicherweise auch ein übergeordnetes Bauprogramm. Ganz anders allerdings stellt sich der andere, größte der Bögen im Hinblick auf die Funktion, die architektonische Ausgestaltung und des Gebäudetyps dar. An einem der städtebaulichen Brennpunkte der Stadt, an der Nordost-Ecke des Forums im unmittelbaren Anschluss an den Tempel gelegen, hatte er mehrere, zunächst voneinander unabhängige Stadträume und Gebäude miteinander zu verbinden und in seine Gestaltung auf diese zu reagieren. Mehrere Veränderungen sind an diesem Bau zu belegen und gestatten durch den engen Zusammenhang mit der umgebenden Bebauung verbindliche und weiterführende Rückschlüsse auf Veränderungen der Forumsbebauung in den letzten Jahrzehnten vor der Zerstörung der Stadt.
„ Il reste qu'une etude des circuits ainsi jalonnés et de la hiérarchisation des espaces qui en résulte eût constitué un utile complément de cette monographie, par ailleurs si consciencieuse. Nous devons malgré tout remercier Kl. Müller pour la
sûreté de ses analyses et la qualité de l'apparat iconographique
qui les accompagne“
Von Pierre Gros
In: Revue Archéologique, 2/2013, S. 427-428.
--------------------------------------
„Questo è dunque un libro importante, ben documentato e illustrato da un apparato iconografico di prim'ordine, base indispensabile per futuri aggiustamenti, riconsiderazioni, approfondimenti.“
Sandro de Maria
In: Bonner Jahrbücher, Band 213, 2013, S. 399-402.
Klaus Müller
- Architekturstudium an der TU München (1983-1990)
- Promotion 1998
- Freiberufliche Bauforschung vorwiegend zur Architektur der griechischen und römischen Antike in Mitteleuropa, Italien, Griechenland und Kleinasien.
Die Entwicklung der griechischen „polis“ und der römischen „urbs“ ist ein zivilisatorischer Prozess, der sich durch die Erforschung der materiellen Überreste und anderer antiker Quellen veranschaulichen lässt.
Die antike Stadt bildete durch vielfältige zweckgerichtete Einrichtungen den Lebens- und Handlungsraum für ihre Bewohner auf politischem, wirtschaftlichem, gesellschaftlichem, religiösem und kulturellem Gebiet. Neben privaten Wohngebäuden entstand eine öffentlich genutzte Funktionsarchitektur weltlichen und religiösen Charakters, durch Verkehrs- und Versorgungsnetze erschlossen, durch Verteidigungsanlagen geschützt. Das Stadtbild war geprägt von diesem Neben- und Miteinander von öffentlichem und privatem Raum, von repräsentativen Kult- und Regierungsgebäuden, aber auch kleinen Unterkünften, von großen Markt- und Handelsflächen, und darüber hinaus von Ausstattungselementen und Baudekor für alle Einrichtungen. Oft lässt sich eine enge Verschränkung von Architektur, Politik und Religion nachweisen: historische und ideologische Konstellationen schlugen sich in der Planung und Anlage von Bauvorhaben und Veränderungen am Stadtbild nieder.
Die von der Kommission zur Erforschung des antiken Städtewesens an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Prof. Dr. Paul Zanker seit 1994 herausgegebene Reihe „Studien zur antiken Stadt“ widmet sich all diesen Belangen urbanistischer Gemeinschaften im antiken Mittelmeerraum.