„Nächstes Jahr in Jerusalem“ ist ein Wunsch, eine Vision vieler Juden, die in der Fremde, in der Diaspora leben. Seit 1000 Jahren leben Juden in Franken – geduldet, vertrieben, ermordet – und sie wagten immer wieder einen Neubeginn. Vielfältig sind ihre Spuren, die sie in Städten und kleinen Dörfern hinterlassen haben. Eindrucksvolle Fotografien von Helmut Meyer zur Capellenund erläuternde Texte von Reiner Sörrieswollen einladen, den nicht immer auf Anhieb zu erkennenden Zeugnissen jüdischen Lebens vom Mittelalter bis zur Gegenwart Aufmerksamkeit zu schenken.
Stadt – Land – Stadt
Das ist eine mögliche Ortsbestimmung für jüdisches Leben in Franken. Die Anfänge sind in den Städten zu suchen, wohin Juden vor knapp 1000 Jahren gezogen sind, um den Pogromen im Rheinland zu entfliehen. Wiederum auch aus den Städten in Franken vertrieben blieben ihnen die Dörfer, wo sie unter verschiedenen Herrschaften ihre eigene Kultur leben konnten. Als ihnen die Gesetze wieder mehr Freizügigkeit gewährten, kamen sie in die Städte zurück.
Duldung – Vertreibung – Emanzipation
Wo Juden gebraucht wurden, erfuhren sie Duldung. Aber selbst dafür waren hohe Schutzgelder zu entrichten. Wo Juden als Konkurrenz gefürchtet waren, mussten sie weichen, wenn man sie nicht gleich ermordete. Erst im 19. Jahrhundert erhielten sie neue Rechte, nahmen Anteil am öffentlichen Leben und beförderten Kultur und Wirtschaft. Vernichtung und Neuanfang Der Antisemitismus war nie und nirgendwo völlig verschwunden; mal zeigte er sich versteckter, manchmal offener. Doch ab 1933 waren dem Judenhass keine Grenzen mehr gesetzt. Manchen Juden gelang noch die Auswanderung. Wer blieb, wurde deportiert und umgebracht. Den Neuanfang wagten die wenigen Entwurzelten, die das Konzentrationslager überlebt hatten, die displaced persons. Einige von ihnen blieben – erstaunlich genug – im Land der Mörder und gründeten neue Gemeinden – wieder in den Städten. Aufs Land zurückgekehrt sind sie nicht.
Anfeindung – Terror – Polizeischutz
Nicht aufgehört haben die Anfeindungen aus manchen Teilen der Gesellschaft, die zu oft in blankem Terror münden. Kaum eine jüdische Institution kommt ohne den Schutz von Sicherheitskräften und Polizei aus. Ihre einsamen Friedhöfe sind meist geschlossen, denn den Gräbern droht der Vandalismus.
Jüdisches Erbe
Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sich ehrenamtliche Gruppen und Kommunen darauf besonnen haben, das jüdische Erbe zu bewahren und neu zu beleben. Während der Reichspogromnacht nicht zerstörte Synagogen dienten lange als Schuppen für alles Mögliche, ehe einige, aber längst nicht alle restauriert und kulturellen oder musealen Zwecken zugeführt wurden.
Dieser Bildband
Von alldem möchte dieses Buch erzählen, wobei sich der Fotograf Helmut Meyer zur Capellen und der evangelische Theologe Reiner Sörries nur zu bewusst sind, dass sie nur punktuell und ausschnittsweise agieren können. 1000 Jahre Geschichte lassen sich nicht zwischen zwei Buchdeckeln komprimieren. Sie hoffen jedoch, dass sie Leserinnen und Leser nicht nur zu einer virtuellen Zeitreise einladen, sondern zu Reisen mit eigener Anschauung anregen können.
Reiner Sörries, geboren 1952 in Nürnberg, ist Pfarrer, Prof. für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte an der Universität Erlangen und war bis 2015 Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Im Ruhestand widmet er sich vor allem der islamischen und jüdischen Kunst. Er lebt und arbeitet in Kröslin an der Ostsee.
Helmut Meyer zur Capellen, geboren 1945 in Lüneburg, besuchte die Bayerische Staatslehranstalt für Photographie in München und schloss mit dem Meister ab. Er arbeitete jahrzehntelang als Werbefotograf und war Mitinhaber einer Werbeagentur, zudem als Fotograf seit 1972 für internationale Bildagenturen tätig. Nach dem Eintritt in den Ruhestand 2007 fotografiert er u. a. jüdische Grabsteine für das Steinheim-Institut, aber auch für verschiedene Museen und kulturelle Projekte. Er lebt und arbeitet in Eckental in Mittelfranken.