Die Trennung der Eltern ist für jedes Kind ein einschneidendes Erlebnis. Musiktherapie kann zu diesem gesellschaftlich relevanten Thema einen wichtigen Beitrag leisten. Sie stellt für betroffene Kinder und Jugendliche einen Rahmen her, das Auseinanderfallen der familiären Triade zu verarbeiten. Das Buch beschreibt musiktherapeutische Grundlagen und Behandlungsformen auf der Basis der Triangulierungsforschung. In ausführlichen Fallgeschichten aus Einzel- und Gruppentherapie entsteht ein umfassendes Bild der musiktherapeutischen Beziehungsarbeit mit Trennungs- und Scheidungskindern.
Das Buch beschreibt die psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten von Trennungs- und Scheidungskindern in der tiefenpsychologisch ausgerichteten Musiktherapie. Es enthält eine wissenschaftlich begründete und gleichermaßen praxisnahe qualitative Untersuchung.
In ausführlichen Einzelfallschilderungen entfaltet sich ein umfassendes Bild der musiktherapeutischen Beziehungsarbeit mit Trennungskindern. Ihre Schwierigkeiten im Umgang mit der Trennung der Eltern und deren Verarbeitung werden aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und erklärt. Das Konzept für die Gruppenmusiktherapie mit Trennungskindern wird erstmals in mehreren Modulen vorgestellt.
Eine neue Herangehensweise bei der Beschäftigung mit Trennung und Scheidung steht im Mittelpunkt: der Begriff der Triangulierung. Dieser Begriff beschreibt zunächst allgemein, wie sich ein Kind die Erfahrungen im Dreieck Mutter-Vater-Kind innerlich aneignet; ein nicht immer einfacher Prozess. In dem hier vorgestellten Ansatz stellt die Autorin nun die Frage, wie sich dieser Triangulierungsprozess für das Kind verändern kann, wenn die Beziehung zwischen den Eltern nicht mehr besteht.
Die Musiktherapie, insbesondere die musiktherapeutische Improvisation, erweist sich als ein besonders beweglicher Spielraum für die Arbeit mit triadischen Strukturen und Prozessen. Neben vielen Einschränkungen und Belastungen treten hier auch die Ressourcen des Kindes ans Licht, mit denen es die Trennungserfahrung bislang gemeistert hat.
Die Autorin entwirft weiterhin einige neue Begrifflichkeiten (z.B. das musiktherapeutische Dritte) und arbeitet auf diese Weise den Ertrag der aktuellen Triangulierungsforschung für die Musiktherapie heraus. Umgekehrt macht sie deutlich, dass die Musiktherapie Hinweise für das Verständnis von triadischen Prozessen an sich bieten kann (z.B. durch musikalische Strukturen, in denen sich typische Beziehungskonstellation zeigen).
Dieser musiktherapeutische Zugang zur Trennungskinderproblematik ist ebenfalls von Nutzen für andere Patientengruppen mit Beziehungsschwierigkeiten, die jedoch nicht von einer Trennung der Eltern betroffen sind. Die Herangehensweise, mit der sich die Autorin dieser gesellschaftlich relevanten Thematik widmet, enthält weiterhin auch Impulse für andere, nicht musiktherapeutische Arbeitsfelder.
„Fazit
„Wer spielt den dritten Ton“, so fragt die Autorin am Ende ihres wichtigen Buches (148). Sie antwortet zunächst aus der Perspektive des betroffenen Kindes, dass es „wieder den ‚dritten Ton’ spielen darf, innerlich gehalten und fern von der vorgereiften Position als Ersatzpartner (150). „Aus der Sicht einer flexiblen Triade“ jedoch müsse gelten, „dass jeder der drei Beteiligten wechselweise die Möglichkeit hat, den ‚dritten Ton’ zu spielen, je nach Erfordernis oder aktueller Situation (ebd.).
Auf dem Buchrücken wird formuliert, dass Musiktherapie zu dem „gesellschaftlich relevanten Thema“ der Trennungskinder einen „wichtigen Beitrag leisten“ könne. Das kann sie aber nur, wenn die Triade Familie - Schule - Gesundheitssystem irgendwann einmal hoffentlich die Qualität einer „flexiblen Triade“ bekommt, in der dann auch die Musiktherapie immer wieder „die Möglichkeit hat, den ‚dritten Ton’ zu spielen“. Frau Dr. Nawe verkörpert in ihrer Profession als Studienrätin, Musiktherapeutin und Forscherin diese zukunftsweisende Perspektive einer flexiblen Triade, in der Musiktherapie tatsächlich ein „gesellschaftlich relevantes Thema“ werden kann. Heute ist es leider erst noch ein seltener Glücksfall, wenn den betroffenen Familien und ihren Kindern solche wichtigen Hilfen zuteil werden.“
Prof. Hartmut Kapteina
In: Socialnet
http://www.socialnet.de/rezensionen/10278.php(28. Juni 2011)
Dr. dc. mus. Nicola Nawe ist Diplom-Musiktherapeutin DMtG, Studienrätin an Sonderschulen und Dozentin. Sie ist vor allem in Praxisfeldern der musiktherapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig, z.B. in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Gemeinschaftspraxis sowie in Sonder- und Integrationsschulen.