Das „Handbuch der Iranistik“ (HdI) fasst den aktuellen Stand und Tendenzen der iranistischen Forschung zusammen und stellt deren wichtigste Disziplinen und Themenbereiche umfassend dar. Dabei orientiert sich das HdI an einer breit aufgestellten, integrativen, jedoch immer philologisch und empirisch fundierten Iranistik, die auch Nachbarfächer wie Islamwissenschaft, (Alte) Geschichte, Religionswissenschaft, Ethnologie, Geographie etc. mit einschließt. Die philologische Kompetenz ermöglicht den direkten Zugang zu Originalquellen, somit zur Innen- und Eigensicht iranischer Kultur(en) und – nicht zu vergessen – auch zur aktuellen einheimischen Forschung in iranischsprachigen Ländern.
Ein wirkliches Verständnis der Gegenwart iranischsprachiger Länder und Gesellschaften ist nur auf Basis des Verständnisses ihrer Geschichte und Kultur möglich. Zu einem solchen Verständnis kann nicht eine wissenschaftliche Disziplin allein führen, sondern nur eine je nach Fragestellung flexible Mischung verschiedener disziplinärer Ansätze, die sich ihrem Gegenstand gleichzeitig mit Empathie und Distanz nähert und eine dialektische Balance zwischen Empirie und Theoriebildung anstrebt. Daher gliedert sich der Aufbau des Bandes in acht Abschnitte (Geschichte, Gegenwart, Recht, Religion, Sprache, Literatur, Manuskriptologie sowie Kunst und Architektur). Dabei folgt die Gestaltung der einzelnen Beiträge grundlegenden, zum Thema hinführenden und methodischen Überlegungen. Das HdI richtet sich damit nicht nur an Iranisten und Orientalisten, sondern auch alle interessierten Kreise.
Das Handbuch der Iranistik stellt Stand und Tendenzen gegenwärtiger iranistischer Forschungen umfassend dar. Auf knapp 500 Seiten behandeln 33 Autoren in 34 Beiträgen die wichtigsten Disziplinen und Teilbereiche der Iranistik wie Geschichte, Literatur, Religion und Sprache. Dabei geht es sowohl um den heutigen Staat Iran als auch um den iranischen Kulturraum in seiner geographischen Breite und historischen Tiefe, von Anatolien bis Zentralasien und von der Frühgeschichte (7. Jahrtausend v. Chr.) bis heute. Das Hauptziel des Handbuchs besteht nicht in der umfassenden Sammlung von Daten und Fakten – dies kann ein Werk dieses Umfangs nicht leisten –, sondern in der methodisch geleiteten Darstellung von Forschungsentwicklungen, in der Beantwortung von Fragen wie: welche Forschungsfragen sind aktuell und interessant? warum und in welchen Forschungskontexten sind sie wichtig?
Alle Beiträge des Handbuchs sind unterteilt in drei Abschnitte A, B und C. A führt den Leser durch grundsätzliche, selbstreflektive und methodische Erwägungen an das Thema heran. B liefert den Forschungsüberblick, C eine alphabetische Bibliographie zu jedem Beitrag. Vor allem durch das Vorschalten des allgemein-methodischen Teils A will das Handbuch Nicht-Iranisten und Nicht-Orientalisten den Zugang zu den wissenschaftlichen Themen erleichtern. Soweit möglich, berücksichtigen die Beiträge auch einheimische Forschungen in iranischen Sprachen.
Der Band bietet eine ambitionierte und kompakte Gesamtschau, die es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Neben auch in anderen Überblickswerken behandelten iranistischen Teildisziplinen wie Geschichte, Literatur, Sprache und Religion vermittelt der Abschnitt „Recht“ einen Einblick in zoroastrische (vorislamische) und islamisch-iranische Rechtsvorstellungen; der Abschnitt „Gegenwart“ umfaßt, außer dem politischen System der Islamischen Republik Iran, mit den Themen Ethnologie, Wirtschaft und Humangeographie Irans ansonsten oft vernachlässigte Bereiche. Der mit sechs Beiträgen ausführlichste Abschnitt des Bandes, „Archäologie, Kunst und Architektur“, enthält Themen wie die Vor- und Frühgeschichte Irans (7.-2. Jahrtausend v. Chr.) oder die islamische Buchmalerei, die an den meisten iranistischen und orientalistischen Instituten nicht erforscht oder gelehrt werden. Als innovativ versteht sich der Abschnitt „Manuskriptologie“. Er soll die institutionell oft vernachlässigte Bedeutung widerspiegeln, die iranischen Manuskripten als Grundlage fast jeglicher wissenschaftlicher Beschäftigung mit iranischer Kulturgeschichte zukommt.
„Das Handbuch erfüllt somit seinen Zweck einer fundierten und breiten Einführung in die Iranistik. Dem Handbuch ist daher eine große Verbreitung zu wünschen, ist es doch Ausdruck des großen und anhaltenden leidenschaftlichen Interesses auf deutscher Seite, den wissenschaftlichen Diskurs in der deutschen Iranistik zu einem wirkmächtigen Faktor für die Wiederbelebung eines fruchtbareren wissenschaftlichen Austausches mit dem Iran zu machen und dadurch dazu beizutragen, den Geist der Freiheit nicht nur in die deutschiranischen Wissenschaftsbeziehungen, sondern in die iranische Hochschul- und Forschungslandschaft zu tragen. Hierfür gebührt dem Herausgeber und den Autoren gleichermaßen Dank.“
Von Oliver Ernst
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„AIs Nachschlagewerk unentbehrlich. erfahrt man über rund 900 Seiten hinweg auch sehr viel über die "eigene Kultur" und lernt mehr über sich und seine Stellung im Wechsel der Zeiten. Nein . der Iran hat weit mehr zu bieten als Unterdrückung und Leiden. Einen geistigen Kosmos eben.“
Von: Manfred Stanka
In: Hachinger Tal, Dienstag, 27. august 2013, Nr. 197, S.31.
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„Die Realität iranischsprachiger Gesellschaften und ihrer politischen, kulturellen und sonstigen Entwicklungen ist heutzutage nur einen Augenschlag von Europa entfernt,“ stellt Ludwig Paul in seiner Einleitung fest. Von dieser Einsicht geprägt sind die insgesamt acht Abschnitte des Kompendiums. Verfasst wurden sie jeweils von verschiedenen Experten. So ist immer auch ein Wechsel der Perspektive möglich, der aber niemals das Ziel einer in sich geschlossenen Kultur- und Geistesgeschichte aus den Augen verliert. So wird gezeigt, dass das Großreich der Achaimeniden, etwa unter Kyros, alles andere als kulturlos oder intolerant war – es war nur anders. Neu ist das nicht, aber es muss immer wieder gesagt werden. Schon Alexander der Große wollte die griechische und persischasiatische Kultursphäre verschmelzen. Das Resultat war der Hellenismus. Persischdualistisches Gedankengut lässt sich bis in die Evangelien verfolgen. Als Nachschlagewerk unentbehrlich, erfährt man über rund 900 Seiten hinweg auch sehr viel über die „eigene Kultur“ und lernt mehr über sich und seine Stellung im Wechsel der Zeiten. Nein, der Iran hat weit mehr zu bieten als Unterdrückung und Leiden. Einen geistigen Kosmos eben.“
Von Manfred Stanka
In: Münchener Merkur, Nr. 197, Dienstag 27. August 2013, S. 31.