Der aktuelle Tagungsband rückt Konrad von Megenberg (1309 bis 1374) in den spezifischen Brennpunkt europäischer Enzyklopädik. Darin sind Beiträge von namhaften Megenbergforschern unterschiedlicher Fachrichtungen vereinigt, die ein facettenreiches Spektrum der neuartigen Wirksamkeit dieses ersten „Sachbuchautors“ in deutscher Sprache entwerfen: innovative Denkanstöße im wissenschaftlichen Diskurs über die Wechselwirkungen zwischen lateinischen Wissenstraditionen und den Anfängen einer deutschsprachigen Wissenskultur.
Die Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft ist 1980 als internationale wissenschaftliche Vereinigung begründet worden. Sie fördert die interdisziplinäre Erforschung von Literatur und Kultur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, insbesondere die Erschließung von Leben und Werk Oswalds von Wolkenstein. Das „Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft“
(JOWG) dokumentiert die jeweils neuesten Forschungsergebnisse.
Der Band geht zurück auf die interdisziplinäre und internationale Tagung „Konrad von Megenberg (1309 bis 1374): Ein spätmittelalterlicher ‚Enzyklopädist‘ im europäischen Kontext“, die vom 27. bis 29. August 2009 in Regensburg stattfand und vom Lehrstuhl für Ältere deutsche Literatur der Universität Regensburg und der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft in Verbindung mit der Stadt Regensburg und dem Bistum Regensburg veranstaltet wurde. Darin sind Beiträge namhafter Megenbergforscher vereinigt, die den Regensburger Domherrn, Dompfarrer und Gelehrten Konrad von Megenberg und sein umfangreiches Gesamtwerk in den spezifischen Brennpunkt europäischer Enzyklopädik rücken und das facettenreiche Spektrum der neuartigen Wirksamkeit dieses ersten „Sachbuchautors“ in deutscher Sprache beleuchten. Die Aufsätze bieten innovative Denkanstöße im wissenschaftlichen Diskurs über die Wechselwirkungen zwischen lateinischen Wissenstraditionen und den Anfängen einer deutschsprachigen Wissenskultur. Blickt man auf die fachliche Provenienz der einzelnen Beiträger, so spannt sich der wissenschaftliche Bogen weit über die germanistische Mediävistik hinaus: Neben Forschungsergebnissen aus der Literaturwissenschaft haben Erkenntnisse der Sprachwissenschaft, der Kunstgeschichte, der Fachdidaktik, der Medizin- und Pharmaziegeschichte, der Rechtsgeschichte, der Geschichtswissenschaft und auch der Mathematik Eingang in den Band gefunden. In ihrer inhaltlichen und methodischen Vielfalt unterstreichen sie die außergewöhnliche und viele Bereiche umfassende Wirkmacht von Konrads Œuvre. Neben Konrads Verhältnis zur lateinischen und volkssprachlichen Enzyklopädik kommen Logiken des Wissens, verschiedene Varianten der Wissensorganisation und gängige Medien der Wissensvermittlung (damals wie heute) zur Sprache. Andere Beiträge widmen sich der Naturkunde und bieten neben Untersuchungen zu einzelnen Tieren auch Analysen zu gesellschaftlichen Erscheinungen und narratologischen Besonderheiten Konrads von Megenberg. Im Bereich der Kosmologie orientieren sich die Beiträge primär an der schwierigen Frage des Verhältnisses von Experten- und Laienwissen und dem damit einhergehenden Interesse an der Rezeptionsproblematik. Den Abschluss des Bandes bilden Beiträge zur Rechtsgeschichte, die sich mit Spannungsfeldern auf politischer und gesellschaftlicher Ebene beschäftigen, und zur - von Konrad nicht unmaßgeblich beeinflussten - Regensburger Stadtgeschichtsschreibung. Das Konzept des Tagungsbandes soll eine grundlegende Parallele zum Werk Konrads von Megenberg reflektieren: So breit gefächert wie das thematische Interessensspektrum des Gelehrten ist, greift das der mit ihm befassten Untersuchungen über einzeldisziplinäre Grenzen, auch diejenigen zwischen den sogenannten Geistes- und Naturwissenschaften, hinaus.
Mittelalterlicher Autor
700. Geburtstag des Konrad von Megenberg
Eichstätt (buk) Der mittelalterliche Geistliche und Natur-Enzyklopädist Konrad von Megenberg (1309-1374), ein Kleriker aus dem Raum der Diözese Eichstätt, gehört seit rund einem Vierteljahrhundert zu den Forschungsschwerpunkten der Altgermanistik an der Katholischen Universität Eichstätt. Hier wurde Konrad ab 1985 im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 226 intensiv erforscht, und hier kam es auch zu einem Auftakt einer Neuedition seines berühmten „Buchs von den natürlichen Dingen“.
Kaum verwunderlich ist daher, dass die Eichstätter Studien zu Konrad von Megenberg direkt oder indirekt auch in einem neuen Sammelband eine Rolle spielen, der die Beiträge einer interdisziplinären Regensburger Tagung vom Herbst 2009 anlässlich des 700. Geburtstags des mittelalterlichen Gelehrten im Druck vorlegt. Dieser Band rückt Konrad als wichtigen Vertreter der frühen europäischen Enzyklopädik in den Blickpunkt: Der vielseitig interessierte und in Europa weit herumgekommene Konrad gilt längst als ein „erster Sachbuchautor des Mittelalters in deutscher Sprache“. Bereits der erste der rund zwei Dutzend wissenschaftlichen Beiträge des Bandes kommt aus Eichstätt, er stammt aus der Feder von Benedikt Konrad Vollmann, der ab den späten 80-er Jahren an der Katholischen Universität das Fach Mittellatein unterrichtete und ein eigenes Teilprojekt des SFB 226 leitete.
Vollmann führt auch aus, warum es sich lohnt, sich heute noch mit dem Werk von Thomas und Konrad zu beschäftigen: Deren Ansichten über die Natur, etwa die Sicht der Taube (als Friedenssymbol) oder über den Vogel Strauß, über Pelikan und Pfau, über Elefanten oder die Symbolik der Blumen, leben bis heute fort.
Im Kosmologie-Teil kommt die langjährige Eichstätter Altgermanistik-Mitarbeiterin Dagmar Gottschall zu Wort, die „Expertenwissen und Laienwissen auf dem Gebiet der astrologischen Prognostik bei Konrad von Megenberg und Cecco d’Ascoli“ untersucht. Der Sammelband enthält auch attraktive Illustrationen aus mittelalterlichen Handschriften des „Buch der Natur“ Konrads von Megenberg.
In: Donau-Kurier. Nr. 109 vom 12. Mai 2011. S. 22.