Die Monographie untersucht vier Werke der mittelhochdeutschen höfischen Literatur (‚Lanzelet‘ Ulrichs von Zatzikhoven, ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach, ‚Tristan‘ Gottfrieds von Straßburg und ‚Wigalois‘ Wirnts von Grafenberg). Phänomene wie Ambiguitäten, Vagheiten, Brüche der Kohärenz werden mit der psychoanalytischen Auffassung des Sprechens als dynamischen Ineinanders verschiedener, oft gegenläufiger Botschaften verbunden. Mit dieser insbesondere von den Arbeiten Jacques Lacans angeregten Perspektive unternimmt es die Studie, einem dem Erzählen unterlaufenen ‚anderen‘ Erzählen nachzugehen.
„Sophie Marshalls Tübinger Dissertation von 2013 ist ein faszinierendes Buch. Die Autorin bietet so viele neue Blickwinkel auf (vermeintlich) altbekannte Texte, sie deutet so viele oft gelesene Textstellen neu, dass allein die Fülle der Detailbeobachtungen der Leserin und dem Leser Bewunderung abverlangt. Hier wird so sorgfältig gearbeitet, dass man sich selbst bei mehr als einer flüchtigen Lektüre von Passagen der behandelten Werke ertappt, meist von Textstellen, die ihre Bedeutung für die Sinnkonstruktion des Romanganzen erst durch die Lesart gegen den Strich erhalten, die Marshall ihnen angedeihen lässt.“
Von Apl. Prof. Dr. Stefan Seeber
In: ZfdA 2021 Heft 3, S. 407 - 410
Sophie Marshall, geboren 1983 in Bielefeld, studierte die Fächer ‚Ältere deutsche Sprache und Literatur‘, ‚Neuere deutsche Literatur‘ und ‚Klassische Archäologie‘ an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Während ihres von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderten Promotionsstudiums verbrachte Sie ein Forschungssemester an der University of California, Berkeley. Im Januar 2014 schloss sie an der Universität Tübingen ihre Promotion ab. Sie arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt ‚Lyrik des deutschen Mittelalters (LDM)‘ (Universität Stuttgart / Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und war Akademische Rätin auf Zeit an der Universität Stuttgart. Seit Oktober 2017 ist sie Juniorprofessorin der Germanistischen Mediävistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Die „Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters“ (MTU) sind eine international hochrenommierte Reihe der germanistischen Mittelalterforschung. Sie stellt ausgewählte editorisch und methodisch-analytisch orientierte Arbeiten von Fachkollegen aus dem In- und Ausland für die wissenschaftliche Öffentlichkeit bereit. Publikationssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Reihe versteht sich als Forum für Publikationen zur Grundlagenforschung (Editionen, Untersuchungen zur Überlieferungs- und Textgeschichte, Standardrepertorien aus den Bereichen der material philology) wie auch für analytische Beiträge zur aktuellen Methodendiskussion anhand exemplarischer Untersuchungen.