Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die Ergebnisse des 3. Trierer Bibliotheksworkshops vom 19./20. Juni 2009. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach den historischen Veränderungen mittelalterlicher Bibliotheken und einzelner Kodizes im Laufe ihrer Geschichte. Einer statischen Sicht von Bibliotheken und Handschriften werden Phänomene ihrer Dynamisierung und strukturellen Mobilisierung durch Bestandsveränderung, Glossierung, Neuordnung und ähnlichem mehr entgegengehalten. Die Beiträge beziehen sich u. a. die Dombibliotheken von Hildesheim und Halberstadt, das Skriptorium von Kloster Arnstein, die hebräischen Fragmente der Stadtbibliothek Trier oder Ekkehard IV. als Benutzer der Klosterbibliothek von St. Gallen.
Der vorliegende Band dokumentiert die Vorträge des 3. Trierer Bibliotheksworkshops vom 19. und 20. Juni 2009. Die vom ‚Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum Trier’ und der Trierer Stadtbibliothek veranstaltete Tagung beschäftigte sich mit dem Thema der historischen Variabilität mittelalterlicher Bibliotheken bzw. einzelner Kodizes. Welchen Veränderungen waren die Sammlungen und Handschriften im Laufe der Zeit unterworfen? Waren diese Umgestaltungen beabsichtigt oder zufällig? Wie sind strukturelle Dynamisierungen am Text zu bewerten, etwa in Form von Glossen, Scholien und Kommentaren oder von Neubindungen, Umsignierungen und Besitzeinträgen? Auf welche Weise können moderne Technologien heute dazu beitragen, solche Veränderungen zu rekonstruieren und zu veranschaulichen? Diese und ähnliche Fragen wurden auf der Trierer Tagung diskutiert und in exemplarischer Weise dargestellt.
Der Hintergrund der Thematik ergab sich aus dem Bemühen, einer statischen, gewissermaßen „ontologischen“ Sicht mittelalterlichen Bibliotheken und ihrer Bestände entgegenzuwirken. Darüber hinaus wollten die Veranstalter einen Beitrag leisten zu einer historisch-funktionalen Sicht des mittelalterlichen Buch- und Bibliothekswesens. Hier geht es um Fragen nach dem konkreten Funktionswert einer Bibliothek, nach dem Einfluss von Skriptorium und Trägerinstitution auf die Ausrichtung der Bestände sowie auf das Maß an Unabhängigkeit, das Bibliotheken sich im Spannungsfeld von organisatorischer Notwendigkeit, funktionaler Orientierung und geistiger Repräsentation bewahren konnten.
Die einzelnen Beiträge beschäftigen sich u. a. mit der Dombibliothek von Halberstadt (Patrizia Carmassi), mit der Buchkultur der Augustinerchorfrauen von Steterburg (Britta Juliane Kruse / Kerstin Schnabel), mit den medizinischen Werken des Amplonius Rating de Bercka (Frank Fürbeth) sowie mit den Trierer Talmud-Fragmenten (Andreas Lehnardt). Vorträge zu einzelnen Handschriften und Texten betreffen die Überlieferung der ‚Admonitio generalis’ (Bernward Schmidt) oder ein althochdeutsch glossiertes Boethius-Fragment der Stadtbibliothek Trier (Falko Klaes). Die Bibliothek als Wissensraum thematisiert Monika E. Müller in ihrem Beitrag ‚Vom armarium zum Bibliotheksraum – Prozesse der Wissensordnung im mittelalterlichen Buchbestand von St. Michael in Hildesheim’, während Regine Froschauer den Blick auf Ekkehard IV. als Benutzer der St. Galler Bibliothek lenkt. Über eine im Manuskript abgeschlossene Gesamtkatalogisierung aller weltweit vorhandenen Handschriften Hildegards von Bingen handeln Michael Embach und Martina Wallner. Der amerikanische Kunsthistoriker Jeffrey Hamburger (Harvard) schließlich liefert eine breit angelegte Untersuchung zum Skriptorium von Kloster Arnstein.
„Durch seine Fallstudien bietet der Band viele Facetten von Dynamik gegenüber dem sonst üblichen eher statischen Blick auf ma. Bibliotheken.“
Jessica Kreutz
In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Band 70,1, 2015, S. 227-228.
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„Die zehn Beiträge des Bandes erfüllen (...) die in der Einführung geweckten programmatischen Erwartungen. Als Werkstattberichte zeigen sie aber zweifellos auf, dass der Ansatz, die mittelalterliche Bibliothek als dynamischen Prozess zu begreifen, fruchtbar ist und zu neuen Fragestellungen anregt. Den mit Tafeln reichlich ausgestatteten Band beschliessen
ein Personenregister und ein Handschriftenregister“
Ernst Tremp
In: Archiv für Kulturgeschichte, Band 97, Heft 1, 2015, S. 213-217.
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„Die verschiedenen Dynamisierungsmöglichkeiten in bzw. von einzelnen mittelalterlichen Bibliotheken werden von den verschiedenen Autorinnen und Autoren beschrieben. Dynamisierung kann die Erstellung einer dynamischen Edition mit Hilfe von OnlineAusgaben (Klaes) bedeuten, aber kann auch die Veränderung des Buchbestandes durch monastische Reformen im Spätmittelalter oder durch Reformation (Kruse) meinen.
Die Mehrzahl der Beiträge ist angenehm zu lesen und bietet mitunter faszinierende Zugänge zu verschiedenen Veränderungsprozessen in mittelalterlichen Bibliotheken, wobei erfreulicheIweise verschiedene Bibliothekstypen
(z. B. Klosterbibliotheken, eine medizinische Fachbibliothek und jüdische Bibliotheken) in die Betrachtung einbezogen werden. Hervorzuheben ist noch der Tafelteil am Schluss des Tagnngsbandes, der zum Verständnis der Darstellungen wesentliche (Farb-)Abbildungen von Seiten bzw. Blättern aus den einzelnen Handschriften versammelt. Dem Tagungsband mit seinen Aufsätzen ist eine diskussionsfreudige Aufnahme in der Wissenschaft zu wünschen. Möge damit der Impuls zu einer weiteren Erörterung gelegt sein, die hoffentlich noch viele neue Erkenntnisse zur Buchkultur im Mittelalter erbringen wird.“
Patrick Trautmann
In: Pro Libris, 2014, S. 94-103.
Prof. Dr. Michael Embach
ist Leiter der Stadtbibliothek und des Stadtarchivs Trier. Studium der Katholischen Theologie und der Germanistik. Ausbildung zum Wissenschaftlichen Bibliothekar. Promotion im Fach Neuere deutsche Literatur mit einer Arbeit zu Johann Gottfried Herder, Habilitation im Fach Ältere deutsche Philologie mit einer Studie zur Überlieferungsgeschichte der Schriften Hildegards von Bingen. Forschungsschwerpunkte: Hildegard von Bingen, Visionsliteratur und Mystik des 12./13. Jahrhunderts, Bibliotheks- und Überlieferungsgeschichte des Mittelalters.
Prof. Dr. Claudine Moulin
ist seit 2003 Professorin für Germanistik/ Sprachgeschichte mit Schwerpunkt Deutsch im Mittelalter an der Universität Trier und Wissenschaftliche Leiterin des Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften (Trier Center for Digital Humanities). Mitbegründerin und ehemalige Sprecherin des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums (HKFZ Trier), Vorstandsmitglied des HKFZ Trier. Studium der Germanistik und Anglistik in Brüssel und Bamberg, Promotion an der Universität Bamberg im Fach Germanistik mit einer Arbeit zu Martin Luther, Habilitation an der Universität Bamberg mit einer Studie zum Würzburger Althochdeutsch.
Forschungsschwerpunkte: Deutsche Sprach- und Kulturgeschichte im europäischen Kontext, mittelalterliche Glossographie und Paratextualität, frühneuzeitliche Grammatikographie.
Dr. Andrea Rapp
ist Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften (Trier Center for Digital Humanities) an der Universität Trier. Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Trier, dort Promotion mit einer Arbeit zu Diebold Laubers Werkstatt in Hagenau.
Forschungsschwerpunkte: Kodikologie und Paläographie deutschsprachiger Handschriften des Mittelalters, Interdisziplinäre Bezüge Text - Bild, Historische Dialektologie, Computerphilologie, Digital Humanities
Die Publikationsreihe „Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften“ versteht sich als Forum für historisch orientierte und fächerübergreifende Forschungen aus dem Bereich der Kulturwissenschaften. Neben Sammel- und Tagungsbänden umfasst das Spektrum der Reihe auch monographische Studien und Ausstellungskataloge.
Als Herausgeber der Buchreihe fungiert der Vorstand des im Rahmen der Forschungsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz finanzierten, an der Universität Trier angesiedelten „Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums“ (HKFZ) Trier. Das derzeitige Forschungsthema des HKFZ „Räume des Wissens – Orte, Ordnungen, Oszillationen“ wird in vernetzten Projektgruppen an der Universität Trier sowie in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aus dem In- und Ausland bearbeitet.