The "music therapy component theory" known from Transitions Between Language and Music (now out of print) appears fully revised and greatly reduced in the first part of this text. The second part develops a general therapy view of improvisation as a social model. On this basis, the social, musical, and methodological differentiation of the theory's components are investigated qualitatively and quantitatively from a unique research approach, leading to surprising results.
Fritz Hegi kommt der Wirkung von Musik auf die Spur, sowohl als Musiker als auch als Musiktherapeut. Bereits im Band „Improvisation und Musiktherapie“ (1986) wurde als phänomenologische Studie die Komponenten-Lehre entwickelt. Im zweiten Band „Übergänge zwischen Sprache und Musik“ (1998) wurden ihre Wirkungen qualitativ untersucht. Dabei rückte der kreative Prozess zwischen Sprache und Musik in den Mittelpunkt des Interesses. Für den vorliegenden Band wurden die Übergänge stark überarbeitet. Die Fallbeispiele und die Kapitel zu den gestalttherapeutischen Kontaktmustern wurden weggelassen, die theoretischen und methodischen Teile dagegen zusammengefasst und teilweise weiterentwickelt. Neu dazugekommen ist die therapieübergreifende Sicht der Improvisation als soziales Modell sowie die Erforschung der Unterscheidbarkeit der fünf Wirkungskomponenten. Insgesamt ergibt dies ein Lehrbuch zur Anwendung der Komponentenlehre in Therapie, Kommunikation und sozialem Alltag.
Durch die fünf Wirkungskomponenten wird zum Beispiel verständlich:
- Wie der Klang als Träger von Gefühlen wirkt und wie Gefühle Klänge gestalten: Gefühlsklang
- Auf welche Weise der Rhythmus in Polaritäten des Lebens eingreift und wie darin Balance entsteht: Lebensrhythmus
- Wann die Melodie von unerledigten Geschichten erzählt und wann der Wunsch ein Lied erfindet: Ausdrucksmelodie
- Wie viel Faszination und wie viel Angst die Dynamik ins Spiel bringt und was die Kraft der Gegensätze zu bewegen vermag: Beziehungsdynamik
- Wo die Form zu Wandelbarkeit verhilft und wann Spiritualität einerseits oder Kernpunkte andererseits Grenzen überschreiten: Formwandel
Die Verdichtung der Theorie zu den Wirkungskomponenten im ersten Teil, der Improvisation als Kommunikation im zweiten Teil, das davon abgeleitete Forschungsdesign und die Ergebnisse im dritten Teil ergeben eine Vertiefung der Frage: Welche Musik wirkt wann, weshalb, wie? In der Verbindung von qualitativer und quantitativer Forschung wird ein neuer Schritt des Erkenntnisgewinns gewagt und zwischen Musik, sozialer Kommunikation und Therapie eine Brücke geschaffen.
„Musikalisches Improvisieren mit seiner Fähigkeit, Unsagbares hörbar zu machen, entfaltet sich in Zwischenräumen, im Bereich von Übergängen: Dort, wo etwas nicht eindeutig fixiert werden kann und doch wichtig zu erfassen ist. So eröffnet Musik einen Zugang zu transzendenten Erfahrungen jenseits des Mess- und Greifbaren: von Atmosphären im Alltag bis hin zu Ahnungen von einem grösseren Ganzen. Solch einem Zugang zur Welt steht eine mehr rationalistische Orientierung an messbaren Mustern oder auch Effekten gegenüber.
Mit dem vorliegenden Buch „Der Wirkung von Musik auf der Spur“ leisten Fritz Hegi und Maja Rüdisüli einen großen Beitrag, um die Gräben zwischen dem ungreifbaren, atmosphärischen Medium Musik und der an greifbaren Zahlen orientierten Forschung zur Wirkung von Musik zu überwinden. Es ist, obwohl ‚nur‘ 213 Seiten umfassend und gut lesbar geschrieben, ein außerordentlich reichhaltiges Buch. Es richtet sich an Menschen, die sich empirisch-wissenschaftlich (auch ohne entsprechende Vorkenntnisse) oder philosophisch-konzeptuell mit Musik auseinandersetzen möchten.
Dem Buch liegt eine langjährige Therapieerfahrung der beiden Autoren zugrunde, die Hegi wie auch Rüdisüli stets mit einem assoziativen wie systematisierenden Blick verbunden haben: Bereits 1998 verfasste Hegi das Buch „Übergänge“, in welchem er die Wirkungsweisen unterschiedlicher musikalischer Komponenten und ihr Zusammenwirken darstellte. Ein erster Ansatz dazu findet sich sogar schon in seinem Buch „Improvisation und Musiktherapie“ von 1986. Lange Zeit blieb das im Buch „Übergänge“ formulierte Grundmodell musikalischer Wirkungskomponenten ein heuristisches - d.h. zwar einleuchtendes, aber empirisch nicht bewiesenes - Modell. Jetzt haben sich Hegi und Rüdisüli seiner empirischen Überprüfbarkeit angenommen und - dies sei vorweggenommen - die theoretischen Überlegungen in den Grundzügen bestätigen können.
„Der Wirkung von Musik auf der Spur“ verfolgt zwei Anliegen: ein musiktherapeutisches und ein empirisch-wissenschaftliches. Innerhalb des musiktherapeutischen Anliegens werden zwei Theorien entfaltet: Die erste Theorie ist das „Grundmodell“ musikalischer Wirkungskomponenten, in welchem Hegi phänomenologisch die fünf Aspekte Klang, Rhythmus, Form, Dynamik und Melodie innerhalb der Musik als Ganzem unterscheidet. Diese Komponenten wirken je unterschiedlich im Menschen. In der Folge wird gefragt (S. 11): „Welche Musik braucht wer, wann und weshalb?“ und „Welche Improvisation trifft den therapeutischen Prozess auf einer tieferen Dimension?“ Diese Fragen führen zur zweiten Theorie, dass Improvisation das soziale Geschehen abbildet. Hegi formuliert dementsprechend ein „erweitertes Grundmodell“, in welchem den musikalischen Wirkungskomponenten ein sozialer Wirkungsbereich zugeordnet wird. Die musikalischen Komponenten werden aufs konkrete Leben bezogen.
Das zweite, empirisch-wissenschaftliche Anliegen ist dementsprechend der Nachweis, dass Musik soziales Geschehen abbildet und deshalb für die therapeutische Gefühls- und Beziehungsarbeit eingesetzt werden kann. Musik ist nicht einfach nur ‚nett‘ oder pauschal ‚irgendwie heilsam‘. Durch die empirische Untersuchung ihres Wirkungsspektrums lässt sie sich genauer auffächern und der therapeutische Einsatz von Musik auf diese Weise spezifisch legitimieren.
Zu diesem Zweck hat Hegi das Grundmodell erweitert und jeder der fünf musikalischen Wirkungskomponente einen Begriff aus dem sozialen Alltag zugeordnet, denn die „musikalischen Improvisationen mit den Komponenten erscheinen in der Praxis grundsätzlich als Geschehen zwischen einem musikalischen und einem sozialen Wirkungsbereich“ (S. 163): Beispielsweise gehört zur Komponente Klang das Gefühl, zur Komponente Dynamik die Beziehung. Werden der musikalische und der soziale Begriff einer vertikalen und einer horizontalen Achse zugeordnet, spannt sich ein Koordinatensystem auf. Dabei werden der vertikalen Achse musikalische Begriffe und der horizontalen Achse soziale Begriffe zugeteilt. So lässt sich z.B. die musikalische Wirkungskomponente Form auf der musikorientierten Achse durch die Pole „geschlossene Struktur“ versus „Zerfall“ beschreiben, auf der sozialen Achse durch die Pole „Bindung“ versus „Freiheit“. Die sich ergebenden vier Quadranten beschreiben entweder sich verstärkende oder auch sich irritierende Zusammenhänge. Hier wird deutlich, wie Musik der benannten sozialen Befindlichkeit entsprechen kann oder nicht, wenn beispielsweise einem melodiösen Lied (positive Seite auf der musikalischen Achse) im sozialen Bereich Ausdrucksarmut gegenübersteht (negative Seite der sozialen Achse). In welchen Quadranten dieses entstandenen Koordinatensystems bewegt sich ein improvisierender Mensch? Bewegt er sich stets nur in einem dieser Quadranten oder kreist er eher in der Mitte? Solche Entsprechungen oder Widersprüche fordern musiktherapeutische Interventionen heraus.
Die in diesem Buch dargestellte Untersuchung ebnet den Weg zur empirischen Erkenntnis, dass Musik differenzierbaren logischen Gesetzen folgt, und damit zur Einsicht, dass Musiktherapie aufgrund dieser Gesetze bei bestimmten Problemen indiziert sein kann.“
Karin Thalmann-Hereth
In: Musik und Gesundsein. Heft 22 (2012). S. 45-46.
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„Musikalische und Lebensweisheiten vom Feinsten.“
Annegret Körber
In: Musiktherapeutische Umschau. 32 (2011) 4. S. 404-405.
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„In dem Buch „Der Wirkung von Musik auf der Spur“ fassen Fritz Hegi und Maja Rüdisüli vorangegangene Überlegungen und Veröffentlichungen zu ihrer Theorie der Wirkung der Komponenten der Musik zusammen. Das Buch fordert zur intensiven Beschäftigung auf. Ohne weitreichende Überlegungen zur Musik und zur Improvisation ist die Forschungsarbeit nur schwer nachzuvollziehen. Überwindet man diese Hürde, so bietet das Buch interessante Anregungen für die musiktherapeutische Arbeit. Außerdem wird an dem präsentierten Forschungsprojekt der immense und komplexe Forschungsbedarf deutlich, der zur Bestätigung der theoretischen Überlegungen noch zu leisten sein wird.“
Thomas Schrauth
In: Socialnet.
http://www.socialnet.de/rezensionen/11254.php(10. Mai 2011)
Prof. Dr. Fritz Hegi-Portmann ist Musik-Psychotherapeut, Dozent und Musiker. Nach kurzer Lehrertätigkeit Studium der Linguistik, Sozialpädagogik und Psychologie. Weiterbildung in Musik- und Gestalttherapie. Sozialpsychiatrische und klinische Erfahrungen in ambulanten und stationären Therapieeinrichtungen. Seit 1980 selbständige Praxis in Zürich. Dozent für Klinische Musiktherapie an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Lehrtherapeut und Aus-bildner an verschiedenen Therapie-Instituten und Hochschulstudiengängen. Mehrere Bücher, Kurs- und Vortragstätigkeit zum Themenbereich Musik, Kunst und Therapie. Spielt Piano und Akkordeon in Konzerten sowie über Tonträger mit Jazz, freier Improvisation und Volksmusik.
Maja Rüdisüli-Voerkel ist Psychologin, Musiktherapeutin SFMT, Psychotherapeutin SPV und Supervisorin in eigener Praxis. Sie unterrichtet ebenfalls an der Berufsbegleitenden Ausbildung Musiktherapie (bam) in Zürich.