The meaning of a song arises, on the one hand, from the situation in which it is expreienced. Apart from that, however, it carries an interpersonal development in its form and content, which can become more meaningful than the situation personally experienced. Above all, songs are present throughout a person’s life; they can shape and lend depth to all stages of life. Therefore, a conversation about a song can reveal the story of a lifelong relationship. The “liedinterview” can encourage a reflective consideration of this relationship, convey insights about the present state of a person and thus even become a new experience of the song.
In this sense, songs are not debilitating, instead, the way we approach and understand them and incorporate them in our social environment defines their beneficial aspect. The “liedinterview” allows the therapeutic use of this resource.
This analysis is based on an interview study of the Department of Child and Adolescent Psychiatry of the University Hospital of Tübingen and explains the theoretical background, concepts and the diagnostic and therapeutic usefulness of the “liedinterview”.
Marc Neufeld untersucht im vorliegenden Band die Bedeutung von Liedern in der Lebensgeschichte, basierend auf einer Interviewstudie, die an der Kinder- und Jugendpsychiatrie Tübingen durchgeführt wurde. Neben dem theoretischen Hintergrund führt der Band in die Konzepte des Liedinterviews ein und zeigt seinen diagnostischen und therapeutischen Nutzen auf.
Der erste Teil erörtert die theoretischen Grundlagen: Die Theorie qualitativen Denkens und die Methodik der Interviewerhebung mithilfe eines problemorientierten und narrativen Interviews.
Der Begriff „Lebensgeschichte“ wird als Beziehungsgeschichte näher bestimmt und von anderen Begriffen wie Lebenslauf oder Lebensprozess abgegrenzt. Anschließend wird die Lebensgeschichte mit Hilfe des Begriffs „Wohlbefinden“ (WHO), des Salutogenese-Konzepts Aaron Antonovskys und des Lebenskrisenmodells Erik Eriksons zum Thema Gesundheit in Beziehung gesetzt. Der Bereich „Lebensgeschichte und Religiosität“ wurde vor dem Hintergrund von Martin Bubers „Ich-Du-Philosophie“ entwickelt.
Das Kapitel „Lebensgeschichte und Lied“ greift die Methode des musikalischen Lebenspanoramas (Isabelle Frohne-Hagemann) aus der Integrativen Therapie auf. Davon ausgehend wird dann der Zusammenhang von Person und Lied ausgearbeitet: musikalische Parameter wie Klang, Melodie, Rhythmus etc. und textliche Aspekte (z.B. Lyrik-Theorie Hilde Domins), sowie persönliche Erlebnisweisen von Liedern wie Emotion, Symbol, Funktion werden dargestellt.
Im praktischen Teil erzählen 45 Personen ihre Geschichte mit einem Lied. Davon werden zwölf Interviewbeispiele beschreibend näher erläutert und ausgewertet; daran anschließend werden alle Interviews anhand der entwickelten Auswertungskategorien verglichen, die Ergebnisse diskutiert und zusammengefasst.
Im Zentrum stehen dabei semistrukturierte Interviews, die Vergleiche zwischen unterschiedlichen Lebensgeschichten auf formaler Ebene ermöglichen. Befragt wurde eine Gruppe von Patienten aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Psychiatrie und Psychosomatik sowie eine Kontrollgruppe. Dabei wurden die Lieder nicht vorgegeben, sondern von den Teilnehmern aus ihrer Erinnerung selbst ausgewählt. Auf diese Weise wird der Begriff „Bedeutung“ in seiner Subjektivität ernstgenommen. Die ausgewählten Lieder wurden anschließend ausführlich besprochen.
Ein abschließendes Kapitel bezieht die Ergebnisse auf die Frage nach der Bedeutung von Liedern in der Lebensgeschichte und versucht, einen Ausblick auf eine Theorie der Bedeutung zu geben. Es zeigt sich zum Einen die lebensbegleitende Funktion von Liedern, zum Anderen ermöglicht die Wahl des Liedes Rückschlüsse über die aktuelle Lebenssituation der Person. Zentrale und aktuelle Themen, die die Person bewusst oder unbewusst beschäftigen, werden im Gespräch offensichtlich. Das Lied ist das Medium, um dies zu erreichen. Das Liedinterview wird so zu einem in der Psychotherapie integrierbaren Instrument.
„Dieses Buch ist speziell für Leser geeignet, die ein Buch von Anfang bis Ende durcharbeiten wollen, da die Gliederung an einigen Stellen nur teilweise den Inhalt widerspiegelt. Allerdings zeigt sich insgesamt ein spannender Ansatz, wie Zusammenhänge zwischen Religiosität, aktueller Lebenssituation und individueller Bedeutungszuschreibung der Vergangenheit über Interviews zu selbst gewählten Liedern nachvollziehbar werden.“
Thomas Schrauth
In: socialnet.de
http://www.socialnet.de/rezensionen/12461.php(15. Mai 2012)
Marc Neufeld
studierte ev. Theologie, Medizin und Kirchenmusik in Tübingen und Wien. Seine theologische Diplomarbeit schrieb er zum Thema "Lied und Motette“, eine Studie zur Motette „Jesu, meine Freude“ von J. S. Bach; die musikwissenschaftlichen Aspekte trug er an der ersten Tübinger Bachnacht vor. Er war Referent am Hymnologischen Institut der Universität Mainz, beim 1. Internationalen Kongress für Musik in Medizin, Therapie und Beratung in Hamburg 2003 sowie der Internationalen theologischen Bodenseekonferenz 2008. Seit 2006 ist er als Arzt in den Bereichen Psychotherapie, Psychosomatik und Psychiatrie tätig, aktuell in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Schaffhausen.
Seine Dissertation schrieb er an der Kinder- und Jugendpsychiatrie Tübingen. 2007 / 2008 war er kirchenmusikalischer Assistent an der Lutherkirche in Konstanz, 2009 / 2010 Organist und Kantor an der Liebfrauenkirche in Frankenberg / Eder. Auf der Orgel spielt er Improvisationskonzerte, u.a. mit dem Didgeridoospieler Gög, dem Jazz-Trompeter B. Bossart, zuletzt mit dem Lichtkünstler J. Rost. Kompositionen von ihm wurden u.a. an der Zürcher Hochschule der Künste uraufgeführt, Kunst-Installationen waren in Konstanz und Frankenberg zu sehen, zuletzt im Rahmen des Windkunstfestivals „bewegter wind“ 2010, Fotoausstellungen u.a. im Deutsch-Amerikanischen Institut in Tübingen. Lyrik wurde 2008 in der Anthologie „ZwischenZeiten“ beim Geest Verlag veröffentlicht, Chorkompositionen erschienen beim Strube Verlag, eine Veröffentlichung von Märchen ist in Arbeit.
Schwerpunkt seiner Arbeit bilden die Themenbereiche Kreativität, Spiritualität und Therapie.