Der von überwiegend professionellen Autoren des späten 12. bis ausgehenden 15. Jahrhunderts ausgeübte Spruchsang, gesungene Strophen und Lieder religiösen, didaktischen, politischen Inhalts, ist eine der wichtigsten Gattungen der deutschen Dichtung des Mittelalters. Die literar- und musikhistorische Forschung befasst sich gerade in jüngerer und jüngster Zeit intensiv mit diesem langlebigen Kunstphänomen. Der vorliegende Band enthält den wissenschaftlichen Ertrag der im Oktober 2015 in Brixen veranstalteten internationalen Tagung zur Sangspruchthematik im Zeitraum vom zweiten Viertel des 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, eingeschlossen sind Ausblicke auf die bemerkenswerte Rezeption der Spruchdichtung durch Oswald von Wolkenstein. In insgesamt 34 Beiträgen werden zahlreiche Aspekte der Gattungsgeschichte aus literatur- und musikwissenschaftlicher Sicht erörtert.
Seit einiger Zeit befindet sich die Sangspruchforschung auf einem Hauptgeleis der germanistischen Mittelalterforschung. Die Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft legt einen Band vor, der die Ergebnisse einer 2015 in Brixen veranstalteten Fachtagung zu diesem Thema enthält. Der Sangspruch des 13. bis 15. Jahrhunderts erfordert essentiell interdisziplinäre und transdisziplinäre Zusammenarbeit. Daher werden germanistische Aspekte des Themas ebenso wie musikwissenschaftliche, historisch-politische ebenso wie gattungstheoretische oder allgemein literaturtheoretische Themen behandelt. Zu den deutschen Texten im Mittelpunkt treten lateinische und französische Dichtungen. Das Spektrum der behandelten Autoren reicht von Reinmar von Zweter bis zu Michel Beheim. Weitere, ausführlich gewürdigte Autoren sind unter anderem der Marner, Friedrich von Sonnenburg, Rumelant von Sachsen, Konrad von Würzburg, Frauenlob, Regenbogen, Heinrich von Mügeln, Muskatblut; auch Oswalds von Wolkenstein Auseinandersetzung mit der Gattung wird thematisiert. Diskutiert werden auch unterschiedliche methodische Paradigmen und historische Zusammenhänge. Den Herausgebern ist es gelungen, nahezu alle Fachleute, die sich gegenwärtig mit dem Thema Sangspruchdichtung befassen, zur Mitarbeit zu gewinnen. Insgesamt bildet der Band den gegenwärtigen Stand der Forschung zum Thema Sangspruch mit dem ganzen derzeitigen Reichtum aller relevanten Aspekte ab.
Horst Brunner
Horst Brunner, geb. 1940, war von 1981 bis 2006 Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Philologie der Universität Würzburg. Zahlreiche Editionen und Untersuchungen zur deutschen Literatur- und Musikgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.
Freimut Löser
Freimut Löser, geboren 1954, ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters der Universität Augsburg, Präsident der internationalen Meister-Eckhart-Gesellschaft und Zweiter Vorsitzender der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. Forschungen gelten besonders der geistlichen Literatur (deutsche Mystik und Bibel), dem Sangspruch und dem Minnesang, Fragen des Regionalismus, der Überlieferungsgeschichte, der Editionstheorie und –praxis. Seit 2016 leitet er den Augsburger Teil eines interakademischen Forschungsprojekts der Bayerischen und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zum ‚österreichischen Bibelübersetzer‘.