Das vorgestellte Kurzbehandlungskonzept (25 Sitzungen) stellt eine musiktherapeutische Intensivbehandlung vor, die sich als Wirkungsanalyse versteht.
Ihre Intentionalität gründet in einer Einschränkung bestimmter Erfahrungen. Das musikalische Produzieren und das Erzählen von einfallenden Alltagsepisoden, sowie von einfallenden Träumen fungieren als Widerlager der Analyse. In seinem Interpretationsgang hält das Konzept fest an eine entschieden immanente Erfassungsweise, d.h. die Morphologie der seelischen Formenbildung
der Klangproduktionen und der Erzählungen bzw. der Träume ist zugleich Motivation und Erklärungsletztheit der Behandlungsereignisse. Eine solche Immanenzerklärung hält Abstand von Krankheitslehren, sowie von Anleihen bei 'fremden' Denkmodellen. Die Konstruktion einer gelebten Alltäglichkeit wird als ein Ganzes ins Helle zu rücken gesucht und in einem methodischen Austausch
mit einem Märchenbild (Dornröschen) gebracht. Im Bild des Märchens bricht sich eine individuelle Erfahrung von Wiederkehr im Lichte einer allgemeinen Kulturerfahrung von Wiederkehr. Die in diesem Konzept zugrunde liegenden Annahmen (Hypothesen) werden eigens herausgestellt.
Seitdem der Musiktherapie eine Krankenkassenzulassung rechtskräftig untersagt wurde, hat sie paradoxerweise ihre alte Freiheit wiedergewonnen. Sie braucht sich nicht mehr einer Krankheitslehre zu verpflichten. Sie kann sich absetzen von Klinikkonzepten, die sich an einer solchen Lehre orientieren.
Im vorliegenden Buch wird eine Rückkehr zur autonomen Kompetenz des Seelischen, sowie zu einer befreiten Musiktherapie anhand einer Wirkungsanalyse in 25 Sitzungen dargestellt.
Von Stunde zu Stunde wird herausgestellt, wie das seelische Geschehen aus dem Leben einer 44-jährigen arbeitstätigen Frau sich in den bevorzugten Materialien – Klagproduktion, Alltagsepisoden, Traumerinnerungen – ausbildet und zugleich weiterzubilden sucht.
In diesen drei Materielaien bricht sich prismatisch die Konstruktion einer typischen Umgangsform mit Alltäglichkeit. Darin werden ebenfalls die Verkehrungen, Schieflagen, Engpässe mitübertragen.
Klangproduktion als Handlungsgefüge, Erzählung als Text vom Alltag sowie Traumgefüge als hyperbolische Erfahrung sind Gegenstand der Behandlung.
Die ganze Wirkungseinheit läuft vom Spielen übers Erzählen bis zu der Interpretation und wird hier als Kultivierung von Erfahrung aufgefasst.
Die Erfahrungen im Behandlungsraum nehmen immer das Ganze eines lebensweltlichen Umgangs in den Blick; keine Teilprobleme.
Märchen stellen als Kunstwerke verschiedene Modelle als Umgang mit Wirklichkeit dar; in paradoxalen Zweieinheiten. Bei Dornröschen geht es einmal um seelischen Formen der Stilllegung und des Überwucherns, zugleich werden die Gegenzüge belebt in Momenten des Suchens und Riskierens, sowie in Befreiung und Wiederkehr.
Die Kultivierungserfahrung einer 44-jährigen wird in der Wirkungsanalyse ins Helle gerückt und mit den kulturpsychologischen Momenten des Märchens Dornröschen in Austausch gebracht. Auf diese Weise werden ihre ‚privaten‘ Verkehrungen und Schieflagen in einen allgemeinen Kulturkontext aufgehoben.
Das Märchenbild lässt sich außerdem auf die neue Situation sich einer befreienden Musiktherapie beziehen.
Zu einer Musiktherapie, die sich zu befreien versteht von Überwucherungen durch fremde Konzeptdiktate oder falsch verstandene Dienstbarkeiten an Mainstreamgewohnheiten, können zu lang stillgelegte Suchbewegungen und risikofreudige Innovationen zurückkehren.
Dr. Frank G. Grootaers, geb. am 28.11.1943 in Leuven (Belgien), hat von 1981 bis 2008 als Dipl.-Musiktherapeut in einem Krankenhaus für psychosomatische Medizin und Psychotherapie
(Bad Honnef) gearbeitet. Promotion (rer.sc.mus.) 2001,Hamburg.Studien der Philosophie von 2007 bis 2013 am Philosophischen Institut der Rheinische-Friedrich- Wilhelm-Universität, Bonn.
Seit 2009 ist er freiberuflich als Therapeut, Berater und Supervisor in seiner Praxis für Musiktherapie tätig. Zeitgleich gründete er das Atelier für Kulturmorphologie.
Forschungsschwerpunkte:
Die Formenbildung in der Gruppenmusiktherapie. Die Kunst des Interpretierens (Hermeneutik).Die Morphologie des Erzählens.