Die Monografie untersucht erstmals umfassend die religiöse Reimpaardichtung ›Gottes Zukunft‹ des Heinrich von Neustadt. Im Zentrum der Studie stehen die Transformation religiösen Wissens in der Volkssprache und Heinrichs Reflexion über zentrale theologische Inhalte jenseits scholastischer Diskursformen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Heinrichs von Neustadt Strategien, mithilfe spezifischer Sprechhaltungen, verschiedener literarischer Modi und Elementen aus unterschiedlichen Erzählwelten die Mysterien des christlichen Glaubens zur Anschauung zu bringen. Die Studie leistet einen innovativen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Erschließung des religiösen Schrifttums im späten Mittelalter.
Die Monografie untersucht erstmals umfassend die bislang in der Forschung zu Unrecht marginalisierte religiöse Reimpaardichtung ›Gottes Zukunft‹ des Wiener Arztes Heinrich von Neustadt. Sie kontextualisiert das im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts entstandene Werk und stellt die bislang bekannte Überlieferung der Reimpaardichtung dar. Anhand der exordialen, selbstreflexiven Passagen des Textes werden Inhalt und Aufbau der adventus-Dichtung herausgearbeitet wie auch die Strategien des Autors zur Geltungssteigerungen seines Werks sowie zur Legitimation seines dichterischen Schaffens dargestellt. Im Zentrum der Studie stehen Analysen zur Transformation religiösen Wissens in der Volkssprache. Anhand exemplarischer Lektüren und engmaschiger close readings zu Inkarnation, Erlösung und Parusie wird das Verhältnis von (literarisch gebrochener) »Theologie« und »heilsgeschichtlichem Erzählen« untersucht. Neben den in ›Gottes Zukunft‹ verhandelten Inhalten richtet sich der Blick der Verfasserin auch auf das Erzählen selbst, das zwischen den Polen von affektiver Betrachtung und intellektueller Durchdringung oszilliert. Dabei wird gefragt, welche Funktion paränetische, didaktische, reflexive und enzyklopädisch anmutende Passagen gegenüber den erzählenden Abschnitten der Dichtung einnehmen. Zugleich kann gezeigt werden, wie Heinrich von Neustadt selektiv auf gelehrt-lateinische Texte und Diskurse (bes. die poetischen Werke des Alanus ab Insulis) zurückgreift, um sie mit dem biblisch-apokryphen Bericht zu verweben. Ein besonderes Augenmerk der Studie liegt auf den Strategien der Dichtung, mithilfe spezifischer Sprechhaltungen, verschiedener literarischer Modi und Elementen aus unterschiedlichen Erzählwelten theologische Spannungen zu integrieren und Mysterien des christlichen Glaubens zur Anschauung zu bringen. Wie die Verfasserin zeigen kann, nutzt Heinrich von Neustadt bestimmte kompositionelle Verfahrensweisen dazu, etwa die Doppelnatur Christi oder das Verhältnis von Natur und Gnade jenseits der scholastischen Diskursformen auszuloten. Mit ihrer innovativen Herangehensweise leistet die Monografie einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Rezeption gelehrt-lateinischer Literatur in der Volkssprache sowie zur literaturwissenschaftlichen Erschließung des religiösen Schrifttums im späten Mittelalter.
Magdalena Butz
Geboren 1989 in Landshut
2014: Bachelor in Germanistik (Schwerpunkt Germanistische Mediävistik; LMU München; Endnote: 1,0)
2016: Master in „Mittelalter- und Renaissancestudien“ (LMU München; Endnote: 1,0)
2020: Promotion im Fach „Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters“ (LMU München; Endnote: summa cum laude)
Seit 2020 ist Magdalena Butz als Post-Doc im Sonderforschungsbereich 1369 „Vigilanzkulturen“ tätig und arbeitet an einem Habilitationsprojekt zu Strategien und Praktiken der Selbst- und Fremdbeobachtung in der deutschsprachigen Literatur (bes. in katechetischen Texten, geistlicher Lyrik und Sangsprüchen) vor dem Hintergrund des spätmittelalterlichen Buß- und Beichtdiskurses.
Die „Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters“ (MTU) sind eine international hochrenommierte Reihe der germanistischen Mittelalterforschung. Sie stellt ausgewählte editorisch und methodisch-analytisch orientierte Arbeiten von Fachkollegen aus dem In- und Ausland für die wissenschaftliche Öffentlichkeit bereit. Publikationssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Reihe versteht sich als Forum für Publikationen zur Grundlagenforschung (Editionen, Untersuchungen zur Überlieferungs- und Textgeschichte, Standardrepertorien aus den Bereichen der material philology) wie auch für analytische Beiträge zur aktuellen Methodendiskussion anhand exemplarischer Untersuchungen.