In zahlreichen Fastnachtspielen von Hans Rosenplüt und Hans Folz ist Gewalt enorm frequent – das breite Repertoire reicht von Wortdelikten über physische und sexuelle Gewalt bis hin zu massivem, gewalttätig agierendem Fremdenhass. Auf der Basis eines Gewaltbegriffs, der gleichermaßen die Auseinandersetzung mit aktuellen soziologischen Gewalttheorien wie die
soziohistorische Dimension, das vormoderne Verständnis von Gewalt und seine juristische Verankerung im städtischen Leben des 15. Jahrhunderts, umfasst, identifiziert die Dissertation solche Gewaltmomente im vorreformatorischen Nürnberger Fastnachtspiel und stellt die Frage ins Zentrum, welche Wirkung durch sie erzielt und welche Funktion durch sie verfolgt
wird. So eröffnet sich ein neuer Blick auf die Gattung; gleichzeitig bindet die Aktualität der Gewaltthematik die Untersuchung an einen postmodernen gesellschaftlichen Kontext: Anhand des Nachvollzugs der Gewalterfahrungen von Opfer- und Täterfiguren in den Fastnachtspielen, des Rachebedürfnisses, des Gefühls von Erniedrigung und Demütigung, des
Verlusts von Identität und innerer Heimat werden Kausalitäten und Funktionsmechanismen spätmittelalterlicher Gewaltstrategien reflektiert, Lösungsmodelle in der Mentalität des 15. Jahrhunderts konfrontieren den heutigen Leser mit der zeitlosen Omnipräsenz von Gewalt.
„Die hier vorliegende Arbeit kann in vielerlei Hinsicht als beeindruckendes Beispiel für die (literatur-)wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gegenständen der Vormoderne betrachtet werden: Wenngleich der schiere umfang der Studie im Verein mit dem auf den ersten Blick etwas sperrig geratenen Titel zunächst sicherlich auf ein breiteres Publikum eher abschreckend wirken mag, stellt sich die Untersuchung bei genauerem Hinsehen doch als bemerkenswert informative, für verschiedene Frageinteressen dienliche, überaus sauber gearbeitete und darüber hinaus aufgrund der präzisen und klaren Sprache stets gut lesbare Abhandlung heraus, die nicht nur eine für die mediävistische Germanistik wesentliche Forschngslücke am Gegenstand der vorreformatorischen Nürnberger Fastnachtsspiele zu schließen vermag, sondern auch für andere an den Nürnberger Zuständen im 15. Jahrhundert interessierte Leser/innen interessante und weiterführende Anregungen enthält.“
Von Viola Wittmann
In: MVGN (Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg) 106 (2019), S. 437 f.
Alexandra Weis-Diel, Studium der Germanistik, Italianistik, Kunstgeschichte und Erziehungswissenschaften. Promotion 2017.
Es ist das Anliegen dieser Buchreihe, in der Dissertationen, Habilitationsschriften, sonstige monographische Darstellungen und Sammelbände erscheinen werden, die Interdisziplinarität der modernen Mittelalterforschung noch mehr hervorzuheben und zu fördern als dies bisher der Fall ist. Angenommen werden Arbeiten aus allen Gebieten der Mediävistik, sofern der Aspekt der Interdisziplinarität darin betont wird, d.h. sofern sie die Grenzen eines einzelnen Faches zu überschreiten suchen.