Hans Sachs (1494–1576) ist der wirkmächtigste deutschsprachige Autor des 16. Jahrhunderts mit einem mehr als 6200 Liedern umfassenden Werk. Die Forschungen über seine Reimspruch- und Lieddichtung beschränkten sich in den letzten Jahrzehnten auf Einzeluntersuchungen und kürzere Zusammenfassungen. In diesem Band werden zunächst die poetologischen Grundlagen seines Werkes dargestellt. Sachs‘ eigenes, hochentwickeltes Bewusstsein von Formen, Gattungen und Themen bildet den Ausgangspunkt einer Darstellung seiner Dichtung nach Texttypen in ihren Quellen, Verarbeitungsmustern und in ihrer Zielrichtung im protestantisch werdenden Nürnberg und Deutschland. Dabei verleihen die unterschiedlichen medialen Verwirklichungen in Schrift, Bild und Bildlichkeit, Lesen und Singen den Texten aus antiker, biblischer und mittelalterlicher Tradition ein abwechslungsreiches Gesicht, die im Überblick und durch Beispiele erschlossen werden.
Hans Sachs (1494–1576) ist der wirkmächtigste deutschsprachige Autor des 16. Jahrhunderts mit einem mehr als 6200 Texten umfassenden Werk. Geboren als Handwerkersohn in Nürnberg, wuchs er früh in die Traditionen typischer städtischer Literaturformen hinein: Meistergesang, Reimpaarspruch, Fastnachtsspiel. Nach dem Abschluss seiner Gesellenwanderung überraschte den jungen Schuhmachermeister die lutherische Reformation. Der Einsatz für diese bestimmte von 1523 an sein Schaffen entscheidend mit.
Die Forschungen über seine Reimspruch- und Lieddichtung beschränkten sich in den letzten Jahrzehnten auf Einzeluntersuchungen und kürzere Zusammenfassungen. Dieser Band versucht erstmals einen ausführlichen Überblick. Er beschäftigt sich nach einer biographischen Skizze zunächst mit den philologischen Voraussetzungen und poetologischen Grundlagen der Dichtung von Sachs, die hier in weiten Teilen erstmals dargestellt werden; dies gilt auch für die musikalische Seite seiner Meistertöne. Danach richtet sich der Blick auf die polemische Unterstützung der Reformation, die das Schaffen Sachs‘ bis 1527 prägt. Die vier Prosadialoge dieser Zeit setzen einen ersten Höhepunkt seines Dichtens.
Ab 1526 bedient Sachs in immer rascherer Folge den Flugschriftenmarkt mit großformatigen Einblattdrucken und kleinformatigen Flugschriften, deren Titelbilder von bekannten Holzschneidern die Neugier der Käufer wecken. Allegorien und religiöse Themen werden nach und nach ergänzt durch Darstellung antiker Historie, durch Philosophie und Naturwissenschaften, durch Fabeln und Schwänke, alles in vierhebigen Reimpaarversen. Schwänke verschmelzen durch vereinheitlichende Tendenzen aus unterschiedlichen älteren Ansätzen zu einer neuen Gattung. In Schwänken sowie Allegorien begegnet ein Erzähler-Ich, das beobachtend oder agierend in wunderlichen Wandlungen oft der Person des Autors ähnelt. Dies alles beschreibt das Buch übergreifend, und legt dabei besonderen Wert auf Auswahl und Darbietung der Stoffe, daneben auch auf der Auswertung der vorhandenen moralischen Exegesen und Epimythien,.
In den Meisterliedern ab 1526, die sich von der vorreformatorischen Gestalt abwenden, lässt sich eine klare Abhängigkeit von der Funktion des geistlichen Hauptsingens der Meistersinger erkennen, bei dem die exakte Bibelversifikation im Sinn der Reformation vorgegeben war. Infolge der funktionalen Einbindung ist dieser Texttyp mit etwa 2000 Vertretern der umfangreichste in Sachs‘ Schaffen. Allegorische Interpretation der alttestamentlichen Geschichtsbücher und prolutherische Exegesen sind besonders berücksichtigt. Dazu kommt eine mit den Jahren anwachsende Zahl von schließlich 2200 weltlichen Meisterliedern, nicht nur Schwänke und einige Fabeln, sondern ebenfalls Erzählungen – hier verstärkt antike Mythologie – und Historisches. Dem Zechsingen verdanken sich die weltlichen Meisterlieder wohl nicht ausschließlich, denn die Texte, die zu drucken verbotenen waren, wurden von Sachs als handschriftliche Einzeltexte und sogar ganze Bände ebenfalls verkauft. Die Produktion der Spruchgedichte steuert seit Anfang der Fünfzigerjahre auf die Herausgabe der gedruckten fünfbändigen Folioausgabe (1558–1579) zu. Sachs verstärkte neben seiner Dramen- und Fastnachtsspielproduktion hierfür vor allem auch das Dichten von bibelversifizierenden Spruchgedichten, so dass sich Meisterlied und Spruchgedicht in vielen inhaltlichen Typen immer ähnlicher wurden, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Diese Annäherung bestimmt die Gliederung der Untersuchung mit.
„Dem umfangreichen CEuvre des Vielschreibers Flans Sachs beizukommen bleibt eine fortwährende Forschungsaufgabe. (...) Obschon die Materie speziell ist, wendet sich das Buch an ein breites Publikum. Wertvoll sind auch die zahlreichen Textabdrucke, denn Rettelbach ediert auch solche Texte, die bisher gar nicht oder nur abseitig greifbar sind.
Die Untersuchungen zeigen einmal mehr, dass Hans Sachs nicht nur quantitâtiv viel schuf, sondern sein Werk auch als vielseitig bezeichnet werden muss und ihm mit einem einzigen Konzept kaum beizukommen ist. Besonders spannend ist das dort, wo der Autor zeigen kann, dass nicht bloß von der Form auszugehen ist, sondern Sachs geschickt den Stoff anlassgemäß anzueignen wusste. Wie kaum ein anderer seiner Zeit ist es ihm gelungen, seine unterschiedlichen Quellen soweit herunterzubrechen, dass das Wesentliche erkennbar bleibt, dem Stoff dabei jeweils ein eigener Akzent verpasst wird.
So ist die Konzentration der Forschung auf die Spieltexte mit der nunmehr vorgelegten Monographie zu hinterfragen.“
Von Natbanael Bøsch
In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 108 (2021), Buchbesprechungen, S. 469-470
Dr. Johannes Rettelbach
geboren 28. März 1945
Staatsexamen Deutsch, Geschichte, Geographie 1973 Erlangen
Referendarzeit und Tätigkeit als Studienrat im Schuldienst Würzburg / Dinkelsbühl 1971 bis 1974
Mitarbeiter am DFG-Projekt ‚Repertorium der Sangspruchdichtung‘ Erlangen / Würzburg 1974–1989
Promotion 1989 Würzburg
Akademischer Rat Würzburg 1989–2012
Gastdozenturen in Tokio und Baku
Es ist das Anliegen dieser Buchreihe, in der Dissertationen, Habilitationsschriften, sonstige monographische Darstellungen und Sammelbände erscheinen werden, die Interdisziplinarität der modernen Mittelalterforschung noch mehr hervorzuheben und zu fördern als dies bisher der Fall ist. Angenommen werden Arbeiten aus allen Gebieten der Mediävistik, sofern der Aspekt der Interdisziplinarität darin betont wird, d.h. sofern sie die Grenzen eines einzelnen Faches zu überschreiten suchen.