Das ‚Debrecener Pflanzen- und Tierbuch‘, eine illustrierte deutsche Pergamenthandschrift aus dem 15. Jahrhundert in der Bibliothek des Reformierten Kollegiums zu Debrecen (Ungarn), ist die einzige illustrierte deutsche Übersetzung des am verbreitesten Herbarienkorpus des lateinischen Mittelalters.
Das Facsimile (mit kolorierte Federzeichnungen von einer auβerordentlichen Qualität) hat jeweils auf der gegenüberliegenden Seite eine Edition und eine englische Übersetzung.Vorangestellt ist ein Untersuchungsteil mit Kapiteln zur lateinischen Überlieferung, der deutschen Bearbeitung und den medizin-pharmakologischen Implikationen der Krankheiten und ihrer Behandlung im Kontext der mittelalterlichen Medizin.
Das ‚Debrecener Pflanzen- und Tierbuch‘ ist eine illustrierte deutsche Pergamenthandschrift aus dem 2. Viertel des 15. Jahrhunderts, die sich im Besitz der Bibliothek des Reformierten Kollegiums zu Debrecen (Ungarn) befindet. Von der Forschung wurde das Werk bisher kaum beachtet. Zu unrecht, handelt es sich doch um die einzige illustrierte deutsche Übersetzung des am verbreitesten Herbarienkorpus des lateinischen Mittelalters. Das Korpus, eine Sammlung von Rezepten für die Behandlung verschiedenster Krankheiten, enthält vier spätantike Texte. In den beiden ersten Werken, Ps.-Musas ,De herba vettonica’ und Ps.-Apuleius’, werden pflanzliche Arzneimittel behandelt, während die beiden folgenden Schriften ,Liber de taxone’ und Sextus Placidus’ ,Liber medicinae ex animalibus’, tierische Drogen zum Gegenstand haben.
Im Gegensatz zu den schematischen Illustrationen der lateinischen Überlieferung, enthält die Debrecener Handschrift kolorierte Federzeichnungen von einer auβerordentlichen Qualität. Das Bestreben des Malers, sich bei seinen Illustrationen auf die Darstellung der distinktiven Merkmale der einzelnen Pflanzen zu konzentrierten und diese so „naturgetreu“ wie möglich darzustellen, hat dazu geführt, dass die Genauigkeit seiner Abbildungen ein im deutschsprachigen Raum vorher noch nicht erreichtes Maß erzielte. Das Kernstück des Buches ist ein Faksimile der Handschrift: der faksimilierten Seite wird jeweils auf der anderen Seite in zwei Spalten der bereinigte Handschriftenabdruck und eine englische Übersetzung gegenübergestellt; damit können Faksimile, Text und Übersetzung wechselseitig verglichen werden. Begleitet werden Edition und Übersetzung von einem Kommentar, der Probleme der lateinischen Quellen und der deutschen Übersetzung erörtert. Ergänzt wird die Ausgabe durch ein Glossar, das den bairischen Wortschatz erschließt, und ein Register der Pflanzenbezeichnungen. Dem Editionsteil vorangestellt ist ein umfangreicher Untersuchungsteil: Hier wird zuerst die Überlieferung und Wirkungsgeschichte des lateinischen Ausgangstextes auf eine völlig neue Grundlage gestellt, die Überlieferungsdaten des Textzeugen vorgestellt und versucht das Umfeld der lateinischen Vorlage aufzuspüren, um so die Übersetzungsstrategie des deutschen Bearbeiters analysieren zu können. Marian Polhill (Professor und Leiterin des Seminars für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universidad de Puerto Rico) unternimmt eine Verortung des ‚puchs von den tieren‘ innerhalb der bislang wenig erforschten Tradition von tierischen Drogen im arabischen und abendländischen Raum. Irmgard Müller (Professor für Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum) bietet schließlich eine medizin-pharmakologische Untersuchung zum Herbar und erläutert die Krankheiten und ihre Behandlung im Kontext der mittelalterlichen Medizin. Durch diese fachübergreifende Zusammenarbeit vereint der Band literaturwissenschaftlich-philologische, medizinhistorische, pharmazeutische und kunsthistorische Forschungen.
Arthur Groos, geb. 1943, studierte Germanistik und Mediävistik (Princeton University, FU Berlin, Cornell University), unterrichtete nach der Promotion an der University of California (Los Angeles), dann an der Cornell University, zuletzt als Avalon Foundation Professor in the Humanities. 1978-79 war er John Simon Guggenheim Preisträger und Fulbright Senior Fellow in München, 2001-02 Alexander von Humboldt Forschungspreisträger an der FU Berlin. Seine Forschungsgebiete sind mittelalterliche Literatur und Musikwissenschaft (Oper). Zu seinen mediävistischen Publikationen gehören u. a. Medieval Christian Literary Imagery (1988), Romancing the Grail: Genre, Science, and Quest in Wolfram’s Parzival (1995) und mehrere Tagungsbände. Er ist Mitherausgeber der Transatlantischen Studien zu Mittelalter und früher Neuzeit.
Bernhard Schnell, geb. 1942, Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität München; 1981 Promotion zum Dr. phil. mit einer Edition und Untersuchung zu Thomas Peuntners ‚Büchlein von der Liebhabung Gottes‘ (1984 als Bd. 81 der „Münchener Texte und Untersuchungen“ erschienenen. Berufliche Laufbahn: 1974-1990 Wissenschaftlicher Mitarbeiter zuerst in der Würzburger Forschergruppe ‚Prosa des deutschen Mittelalters‘, dann im Sonderforschungsbereich 226 ‚Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter‘; 1990 Habilitation im Fach Geschichte der Medizin mit text- und überlieferungsgeschichtlichen Studien zur pharmakographischen deutschen Literatur des Mittelalters; 1990-1994 Akademischer Oberrat am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg; 1995-2007 Arbeitsstellenleiter des Mittelhochdeutschen Wörterbuchs an der Akademie der Wissenschaften in Göttingen.
Forschungsschwerpunkte: Mittelhochdeutsche Lexikographie – Text- und Überlieferungs-geschichte – Deutsche Medizinliteratur des Mittelalters.
Publikationen in Auswahl: (Mithg.) ‚Vocabularius Ex quo‘, 5 Bde., Tübingen 1988 (Texte und Textgeschichte 22-26); Der deutsche ‚Macer‘, kritisch herausgegeben in Zusammenarbeit mit William Crossgrove. Tübingen 2003 (Texte und Textgeschichte 50); (Mithg.) Johannes Hartlieb, ‚Kräuterbuch‘, Wiesbaden 2010 (Wissensliteratur im Mittelalter 47).