In diesem Band werden die Spuren von Raumvorstellungen zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert untersucht. Die Rolle von Körper und Sinnen wird dabei ebenso in den Blick genommen wie die Bedeutung der Medialität des Raums, vermeintlich neuer Energieformen und medialer Trancezustände.
Dass die Erfahrung von Raum und Zeit immer an die Bedingungen medialer Übertragung gebunden ist, wird beim Blick auf die medientechnischen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts offensichtlich. Mehr noch: Räume werden erst medial gestiftet, indem neue Übertragungstechniken Phantasien über die Gestalt des Raumes, den sie überbrücken, generieren. Verbunden damit ist eine Wahrnehmung des Zusammenhangs von Räumlichkeit und Sinneswahrnehmung, denn bis heute erweisen sich medientechnische Revolutionen als mit dem Versuch verknüpft, die organischen Funktionen der Sinnesorgane zu steigern oder gar ins Über-Sinnliche auszudehnen. Gleichsam als Gegenbewegung und ergänzende Tendenz gewinnt die Leiblichkeit begleitend zur Entwicklung und Verfeinerung technischer Übertragungsmedien neue Bedeutung: Der Körper wird als Medium präziser denn je hinsichtlich seiner Sende-, Empfangs- und Transmissionsfähigkeiten physiologisch und psychologisch vermessen.
Der Band „Übertragungsräume“ widmet sich einem Feld aus Diskursen und Praktiken, das durch die Eckpunkte Raum – Mensch – Medialität markiert wird: An welchen diskursiven und sozialen Orten entwickelte sich das Wissen von Übertragungsräumen? Welcher ontologische Status wurde diesen Räumen zugeschrieben? Welche Konsequenzen hatten Phantasien über alles durchdringende ätherische Fluida, Strahlen und Wellen für populäre wie akademische Raumkonzepte? Gerade in ihrem Oszillieren zwischen naturwissenschaftlich-technischen und religiös-übersinnlichen Bezügen stellen die medialen Räume eine Herausforderung für die kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Raum und Räumlichkeit dar.
Die Beiträge des Buches widmen sich unter anderem philosophisch-physiologischen Spekulationen bei Herder, raumtheoretischen und nachrichtentechnischen Erwägungen bei Kleist, der Sinnesphysiologie deutscher Naturforscher des 19. Jahrhunderts, dem Genius Nikola Tesla, der retrovisionären Widerbelebung des antiken Rom durch Alfred Schuler, den Auseinandersetzungen zwischen Einstein und Bergson, Walter Benjamins Medientheorie, der energetischen Kosmologie Wilhelm Reichs, tänzerisch-meditativen Raumerfahrungen bei Erwin Straus und Karlfried Graf Dürkheim sowie somnambulen und psychopharmakologisch bewirkten Erkundungsreisen durch den Raum. Die Autorinnen und Autoren sind kulturwissenschaftlich arbeitende Forscher unterschiedlicher Disziplinen.
Eva Johach
Studium der Biologie, Chemie und Kulturwissenschaften in Erlangen, Lüneburg und Berlin. 2006 Promotion am Kulturwissenschaftlichen Seminar der Humboldt-Universität Berlin mit einer Arbeit über politisch-medizinische Krebsmetaphorik im 19. Jahrhundert. 2007-2009 Postdoktorandin im DFG-Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“ und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaft der HU Berlin. Danach Stipendiatin am Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum der Universität Trier. Seit August 2010 Stipendiatin der DFG an der Professur für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich mit einem Projekt zur Wissensgeschichte von Insektengesellschaften. Forschungsschwerpunkte: Wissensgeschichte, Kulturtheorie und Kulturgeschichte, menschliche und tierische Kollektive, Krankheitstheorien und Sozialpathologien, Wissen und Esoterik.
Diethard Sawicki
Studium der Geschichte, russischen Philologie und Philosophie, 1999 Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen, Promotion in Geschichtswissenschaft zur Geschichte von Geisterglauben und Spiritismus in Deutschland 1770-1900. Seit 2001 Lektor in einem geisteswissenschaftlichen Verlag. Forschungsschwerpunkte: Themen im Spannungsfeld von Wissenschafts-, Religions- und Technikgeschichte der Neuzeit, Esoterik - Chiliasmen - Sozialutopien, Theorien des historischen Wandels von Wissensordnungen.
Die Publikationsreihe „Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften“ versteht sich als Forum für historisch orientierte und fächerübergreifende Forschungen aus dem Bereich der Kulturwissenschaften. Neben Sammel- und Tagungsbänden umfasst das Spektrum der Reihe auch monographische Studien und Ausstellungskataloge.
Als Herausgeber der Buchreihe fungiert der Vorstand des im Rahmen der Forschungsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz finanzierten, an der Universität Trier angesiedelten „Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums“ (HKFZ) Trier. Das derzeitige Forschungsthema des HKFZ „Räume des Wissens – Orte, Ordnungen, Oszillationen“ wird in vernetzten Projektgruppen an der Universität Trier sowie in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aus dem In- und Ausland bearbeitet.