Die Arbeit untersucht, in welche Gattungstraditionen die Lieder in stolligen Strophen aus dem Mönch-Korpus zu stellen sind. Sie entwickelt die These, dass diese Lieder auf die Gattungstradition des einstimmigen ‚Neuen (lateinischen liturgischen) Lieds‘ Bezug nehmen, die sich im späten 12. Jahrhundert in Abgrenzung zu Hymnus und Sequenz ausbildete und die im zentraleuropäischen Raum bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts hoch produktiv war. Dafür wurde ein großes Korpus spätmittelterlicher Handschriften gesichtet, ein Teil der untersuchten lateinischen Lieder ist im Anhang auch ediert.
Die Arbeit untersucht die geistlichen Lieder in stolligen Strophen aus dem Korpus Mönch von Salzburg. Im Zentrum steht die Frage, in welche musikalisch-lyrischen Gattungstraditionen diese Lieder zu stellen sind. In Auseinandersetzung mit der Forschung zu den Gebrauchszusammenhänge deutschsprachiger geistlicher Lieder legt sie dar, dass die Lieder auf die Gattungstradition des einstimmigen ‚Neuen (lateinischen liturgischen) Lieds‘ Bezug nehmen, die sich im späten 12. Jahrhundert in Abgrenzung zu Hymnus und Sequenz ausbildete und die im zentraleuropäischen Raum bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts hoch produktiv war.
Die Untersuchung einer grösseren Zahl lateinischer Liederhandschriften stellt die Basis dar, die einen Vergleich des spätmittelalterlichen einstimmigen liturgischer Liedes in stolligen Strophen mit den Liedern des Mönch-Korpus ermöglicht. Für den Nachweis der Zusammenhänge wird ein neuartiges Analysemodell entwickelt, das sprachliche, metrisch-reimtechnische und melodische Einzelaspekte im Hinblick auf die Einheit Strophe integriert. Die Analyse der melodisch-strophischen Faktur zeigt auf, dass die Lieder des Mönch-Korpus gezielt auf das Liturgische Lied Bezug nehmen. Dadurch wird die Geschlossenheit des Korpus der geistlichen Mönch-Lieder deutlich und es tritt hervor, dass es sich als Ganzes nahezu systematisch mit allen avancierten Formen der lateinisch-gottesdienstlichen Poesie auseinandersetzt.
Die Arbeit erschließt für die Germanistische Mediävistik erstmals in breitem Überblick das Feld des lateinischen gottesdienstlichen Liedes und geht dabei ausführlich auf deutsch-lateinische Kontrafakturen ein. Neben der Germanistik ist sie aufgrund der Melodieanalysen auch für die Musikwissenschaft, aufgrund der Kontrafakturen und einiger ausführlich behandelter lateinischer Lieder auch für die mittellateinische Philologie von Interesse. Zudem trägt die Arbeit auch zur weiteren Erforschung einiger lateinischer Codices aus dem 14. und 15. Jahrhundert mit musikalischer Notation bei. Im Anhang sind unter anderem die Melodien von 38 lateinischen Liedern ediert.
„Insbesondere [Rosmers] bienenfleißigen, in eine katalogartige Dokumentation einmündenden Recherchen zur handschriftlichen Überlieferung des lateinischen gottesdienstlichen Lieds, wie er die ›böhmische‹ Cantio nun lieber nennt, verdienen hohe Anerkennung. Welcher Gewinn aus dem hier versammelten Material zu ziehen ist, illustrieren exemplarisch die umfangreichen ›Anhänge‹ (Kap. 16, S. 319–425) mit sorgfältig erarbeiteten Textabdrucken und Melodiewiedergaben ausgewählter Gesänge. Stefan Rosmer hat ein ambitioniertes und quellenerschließendes Buch vorgelegt, von dem die künftige Forschung zum spätmittelalterlichen geistlichen Lied zweifelsohne viel profitieren wird..“
Von Prof. Dr. Udo Kühne
In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 25, 2021, S. 314-319
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„Rosmer hat mit seiner Dissertation eine sorg{ältig argumentierende, mit ihren über fünfhundert Seiten auch im wahrsten Sinn des Wortes gewichtige Studie vorgelegt. Der Umfang erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass er in vielen Dingen Grundlagenarbeit leisten müsste, insbesondere was die Erschließung der lateinischen gottesdienstlichen Lieder in stolligen Strophen angeht, die er zudem in einem umfänglichen Melodieanhang dokumentiert. Man wird dieses Vorgehen schon allein deswegen nicht kritisieren wollen, weil es für die Erforschung des deurschsprachigen spätmittelalterlichen geistlichen Lieds einen enormen Vorteil bedeutet, dass die lateinischen gottesdienstlichen Lieder dadurch jetzt als Gruppe sehr viel besser erschlossen sind als zuvor. (...) Insgesamt hat Rosmer mit seiner Dissertation einen entscheidenden Beitrag zur Erforschung des spätmittelalterlichen Liedes geleistet, in dem er den Fokus auf die kaum besprochenen geistlichen Lieder des Mönchs von $alzburg richtet und so dieses fürs 14. und l5. Jahrhundert wichdge Lieder-Corpus in seiner Vielgestaltigkeit sichtbar macht. Ein bleibender Ertrag der Untersuchung wird auch die bessere Erschließung
des lateinischen gottesdienstlichen Liedes in stolligen Strophen sein.“
Von Britta Bußmann
In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft, Bd. 62 (2021), S. 392-398
Stefan Rosmer, Studium der Germanistik, Musikwissenschaft und Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig 2000-2006, 2006/2007 als Sprachassistent des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an der Eötvös-Loránd-Universität im Bereich der Germanistischen Sprachwissenschaft tätig. 2009-2013 Lehrbeauftragter, ab 2013 Assistent an der Universität Basel, Promotion in Basel 2014 (Ältere deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft), zur Zeit als Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds für ein Forschungsprojekt zur Historischen Narratologie an den Universitäten Göttingen und Santiago de Compostela
Forschungsschwerpunkte: Mittelalterliche Lyrik, insbesondere spätmittelalterliche geistliche Lyrik und Sangspruchdichtung; spätmittelalterliche Einstimmigkeit; Narratologie; frühmittelalterliche Bibelepik, praxeologische Kulturtheorie und Erzähltheorie
Es ist das Anliegen dieser Buchreihe, in der Dissertationen, Habilitationsschriften, sonstige monographische Darstellungen und Sammelbände erscheinen werden, die Interdisziplinarität der modernen Mittelalterforschung noch mehr hervorzuheben und zu fördern als dies bisher der Fall ist. Angenommen werden Arbeiten aus allen Gebieten der Mediävistik, sofern der Aspekt der Interdisziplinarität darin betont wird, d.h. sofern sie die Grenzen eines einzelnen Faches zu überschreiten suchen.